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Debatte um Benin-Bronzen„So unverschämt wie früher“

Kommt es bald zu Rückgaben von geraubten Benin-Bronzen an Nigeria? Beim Verein Berlin Postkolonial ist man eher skeptisch.

Wann gehen sie zurück? Drei Benin-Bronzen in Hamburg Foto: dpa
Interview von Susanne Memarnia

taz: Herr Mboro, Herr Kopp, werden im Humboldt Forum Benin-Bronzen ausgestellt, was meinen Sie?

Mnyaka Sururu Mboro: Wir mussten bisher davon ausgehen. Ich freue mich aber, dass die Sache endlich auch von den politisch Verantwortlichen kontrovers diskutiert wird. Ganz unabhängig von den Benin-Bronzen sind wir ja seit Langem entschieden dagegen, dass im rekonstruierten Berliner Schloss der Hohenzollern in Kolonien angeeignete Kulturschätze präsentiert werden. Immerhin gab es in dieser feinen Familie auch Sklavenhändler, Kolonialherren und Völkermörder.

Christian Kopp: Ich denke auch, dass es zu früh ist, dazu etwas zu sagen. Ziemlich klar scheint aber mittlerweile, dass eine Ausstellung der Benin-Bronzen im Humboldt Forum ohne den Segen der nigerianischen Seite zum Eklat führen würde. Die Frage ist daher jetzt wohl vor allem, wird es diesen Segen geben, und, wenn ja, was wird Deutschland bereit sein, dafür zurückzugeben: einige Bronzen? Viele? Und in welcher Form: als Dauerleihgaben? Als Eigentum?

Der Chef des Humboldt Forums, Hartmut Dorgerloh, sagte, er rechne nicht damit, dass bei der Eröffnung im Herbst Bronzen gezeigt werden. Er hat das aber nicht zu bestimmen. Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die das entscheidet, sagt, sehr wohl würden die Bronzen Bestandteil der Ausstellung. Kulturstaatssekretärin Monika Grütters kann sich „Leerstellen“ im Museum vorstellen. Ziemliches Durcheinander, oder?

Im Interview: Mnyaka Sururu Mboro und Christian Kopp

Mnyaka Sururu Mboro, geb. 1951 in Moshi am Kilimanjaro (Tansania), Bauingenieur, Stadtführer, Aktivist und Vorstandsmitglied bei Berlin Postkolonial. Lebt seit über 40 Jahren in Deutschland.

Christian Kopp, geb. 1968 in Neuruppin, Historiker, Ausstellungsmacher und Aktivist sowie Vorstandsmitglied bei Berlin Postkolonial. Mitarbeiter im laufenden Projekt „Dekoloniale. Erinnerungskultur in der Stadt“.

Kopp: Ja, vor allem, wenn man bedenkt, dass es keine deutsche, sondern eine nigerianische Entscheidung sein sollte. Trotzdem ist eine Diskussion über diesen wichtigen Teil der deutschen und europäischen Kolonialverantwortung noch immer besser als die geschlossene Abwehr von Rückgaben durch deutsche Po­li­ti­ke­r:in­nen und Museen der letzten Jahrzehnte.

Mboro: Ich bin da skeptischer. Mir kommt das Ganze erneut wie ein abgekartetes Spiel vor, eine Hinhalte- und Vermeidungsstrategie der Verantwortlichen. Man macht kompliziert, was sonnenklar und einfach ist. Das soll uns ruhigstellen und müde machen!

Seit 1960 fordert Nigeria die Rückgabe von im Kolonialismus gestohlener Kunst. Wie es damit an westlichen Museen und deren Regierungen scheitert, hat Bénédicte Savoy in ihrem neuen Buch, „Afrikas Kampf um seine Kunst“, geschildert. Wenn Sie nun hören, bevor es zu Rückgaben kommen könne, müsse erst mal das Museum in Benin City fertig und die Nigerianer in Museumskunde ausgebildet sein, überhaupt müssten sie sich erst mal einig sein … Sind das nicht dieselben Ausflüchte wie früher?

Mboro: Das sind nicht nur Ausflüchte, das sind dieselben Unverschämtheiten wie früher! Gerade die Benin-Bronzen waren teilweise mehrere hundert Jahre alt, bevor sie von den Briten geplündert und verscherbelt wurden. Viele unserer Objekte sind in Europas Kriegen vernichtet worden. Ich frage mich, was wir von den Dieben unserer Kulturschätze, die gar nicht wissen, was sie haben, lernen könnten!

Diskussion um die Benin-Bronzen

Geschichte Das Ethnologische Museum Berlin verfügt über rund 530 historische Objekte aus dem Königreich Benin, darunter etwa 440 Bronzen. Die jahrhundertealten Kunstwerke wurden 1897 im Zuge des englischen Kolonialkrieges zu Tausenden geraubt und später in Europa meistbietend verkauft. Nach dem British Museum soll Berlin die zweitgrößte Sammlung von Benin-Bronzen haben. Nigeria fordert die geraubte Kunst seit Jahrzehnten zurück. Darüber, wie europäische Regierungen und Museen solche Forderungen seit rund 60 Jahren abwehren, hat die an der TU Berlin lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy gerade ein Buch veröffentlicht: „Afrikas Kampf um seine Kunst“.

Aktuelle Debatte Kürzlich sagte der Chef des Humboldt Forums, Hartmut Dorgerloh, er erwarte Rückgaben noch vor der Eröffnung der ethnologischen Ausstellung im Humboldt Forum im September. Die Aussage sorgte international für Wirbel, denn die Debatte tritt auf der Stelle. So geht es auch in der „Benin Dialogue Group“, in der Museen aus Europa und Nigeria über das Thema reden, nach zehn Jahren nur um „Leihgaben". Doch nun steigt der politische Druck, dass etwas geschehen muss, ein Mitarbeiter des Außenministeriums war gerade in Nigeria. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte danach: „Zu einem aufrichtigen Umgang mit der Kolonialgeschichte gehört auch die Frage der Rückgabe von Kulturgütern.“ (sum)

Kopp: Auch um solchen fadenscheinigen Argumenten entgegenzutreten ist ja in Nigeria vor einigen Monaten der programmatisch benannte „Legacy Restoration Trust“ gegründet worden. Der LRT ist die gemeinsame Interessenvertretung der nigerianischen Nationalregierung, des Gouverneuers von Edo sowie des regierenden Obas von Benin, und kümmert sich auch um das geplante Benin-Museum.

Vom Auswärtigem Amt heißt es, es gebe kein offizielles Rückgabegesuch aus Nigeria. Was sagen Sie dazu?

Mboro: Auch das ist eine Unverschämtheit: Nicht nur fordert Nigeria die Benin-Bronzen seit Jahrzehnten zurück. Der nigerianische Botschafter in Deutschland hat auch erst vor wenigen Monaten diese Forderung wieder schriftlich eingereicht. Wie offiziell soll es denn noch werden? Soll das Staatsoberhaupt Nigerias nach Berlin kommen und auf Knien darum bitten?

Kopp: Selbst wenn Länder noch keine offiziellen Rückgabeforderungen erhoben haben: Sind wir hier in Deutschland nicht dazu verpflichtet, die Herkunftsgesellschaften proaktiv darüber zu informieren, wenn sich in unseren Sammlungen menschliche Gebeine, Kultur- oder Naturschätze finden, die in der Kolonialzeit hierher verschifft wurden? Müssten wir diese nicht von selbst umgehend zur Rückgabe anbieten?

Welche Rolle spielt der nigerianische Botschafter hier in Berlin in der Angelegenheit?

Mboro: Botschafter Yusuf Tuggar hat seit seiner Ankunft in Deutschland in 2017 den moralischen Druck auf die deutschen Museen deutlich erhöht und an den Anstand der Deutschen appelliert. Erst vor wenigen Tagen sprach er in einem Zeitungsartikel von der kolonialen Aggression, die andauert, solange die Institutionen in ihren Depots koloniales Raubgut verbergen. Ich wäre froh, wenn auch andere afrikanische Botschaften so deutlich wären.

Es gibt seit 2010 die Benin-Dialogue-Group, in der Museen aus Europa, die Benin-Bronzen haben, mit Museen in Nigeria reden. Was halten Sie von dieser Runde?

Kopp: Die Gruppe war die Antwort der westlichen Museen auf die bewegenden Rückgabeappelle von Mitgliedern der Oba-Familie während der großen Benin-Ausstellungen 2007/08 in Wien, Paris, Berlin und Chicago. Es ging den Museen dabei nicht um Restitutionen, sondern um degradierende „Leihgaben“ an Nigeria. Nach zehnjähriger Diskussion hat die Gruppe nicht einmal das erreichen können.

Bei früheren Abwehrkämpfen haben hiesige Museen, wie Savoy schreibt, das Problem aufgebauscht: Bei der Rückgabe-Frage gehe es prinzipiell um alle Bestände von „Völkerkundemuseen“, die man also schützen müsse. Wie ist das: Geht es um „alles“ oder um Rennomierstücke?

Mboro: Es geht sicher nicht um die gesamten Bestände. Selbst in ethnologischen Museen kommen nicht alle Objekte aus kolonisierten Gebieten. Aber es kann auch nicht nur um einzelne Prestigeobjekte gehen, die uns von den Nachfahren der Räuber gnädig zurückgegeben werden. Es geht um unsere Ahnen und unser Eigentumsrecht an allen Kultur- und Naturschätzen, für die ein rechtmäßiger Erwerb durch die Museen nicht nachgewiesen werden kann. Wenn das anerkannt ist, werden wir uns überlegen, was wir den Häusern im Norden unter welchen Bedingungen als Leihgabe überlassen.

Hiesige Museen sagen immer, vor der Rückgabe müssten die Bestände gründlich inventarisiert und jede einzelne Provenienz erforscht werden. Man fragt sich, warum dies in über 100 Jahren offenbar nie passiert ist. Jetzt schreibt Savoy, es war gezielte Strategie der Museen, keine „Objektlisten“ zu erstellen, um Rückgaben zu verzögern. Macht das nicht wütend?

Kopp: Ja, das ist wirklich ein Skandal, den Bénédicte Savoy da offenlegt. Allerdings spricht sie wohl eher von der strategischen Weigerung der Museen, vorliegende Inventarlisten auszuhändigen oder zu veröffentlichen. Was die Provenienzforschung angeht, haben Sie natürlich Recht: so sehr das jetzt in den Vordergrund gerückt wird, so wenig wollten und sollten die Sammlungen früher darauf schauen.

Die Leiterin der Benin Dialogue Group, Barbara Plankensteiner, Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum, betonte kürzlich, die Bronzen seien „Höhepunkte globaler Kunst“. Auch dieses Argument ist bekannt: Es gehe um das „gemeinsame Erbe der Menschheit“, das in Europa besser geschützt werden könne als in Afrika. Gleichzeitig warnt Plankensteiner, Rückgaben zu „übereilen“ und die „nigerianischen Partner zu überfordern“. Wirken hier, vielleicht unbewusst, alte Rassismen weiter?

Mboro: Die Behauptung, afrikanische Kulturschätze wären im Westen besser aufgehoben, ist wirklich rassistisch. Aber so eine Position habe ich Plankensteiner noch nicht vertreten hören. Allerdings tritt sie jetzt offenbar auf die Bremse und versucht, den Prozess unter Kontrolle zu halten. Warum sollen Museen nicht selbst aktiv werden und eigenständig Rückgaben anbieten? Wie kann sie nach 124 Jahren vor übereilten Aktivitäten warnen? Warum soll es weitere Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geben?

Kopp: Ärgerlich finde ich, dass sie die Benin Dialogue Group nun gleichzeitig zum Motor der Rückgabebewegung stilisiert, obwohl Rückgabeforderungen natürlich immer schon von den Enteigneten selbst kamen und im Norden immer nur einzelne Un­ter­stüt­ze­r:in­nen fanden. Dialog ist immer gut, aber wenn er in 10 Jahren keine greifbaren Ergebnisse vorweisen kann, wirkt das eher wie eine Hinhaltetaktik.

Kulturstaatssekretärin Monika Grütters plant ein Spitzentreffen zur Frage der Benin-Bronzen, dazu soll noch im April eingeladen werden. Was erwarten Sie sich davon?

Mboro: Ich hoffe, dass sich Bund und Länder nun endlich auf bedingungslose Rückgaben und eine Bitte um Entschuldigung gegenüber Nigeria und anderen Ex-Kolonien einigen. Deutschland könnte dabei nur gewinnen. Allerdings zweifle ich daran, dass das wirklich das Ziel des Treffens ist.

Kopp: Ich befürchte, dass hier eher verhindert werden soll, dass einzelne Bundesländer und Kommunen vorauseilen und auf eigene Faust Benin-Bronzen zur Rückgabe anbieten könnten. Der Bund und konservative Länder im Besitz der Kunstwerke wollen sicher nicht unter Zugzwang geraten. Verständlich daher, dass sie im Umgang mit Nigerias Rückgabeforderungen auf Geschlossenheit und eine nationale Strategie setzen. Allerdings scheinen die Dämme nun auch außerhalb Deutschlands zu brechen: die Universität von Aberdeen und die Anglikanische Kirche wollen Benin-Bronzen restituieren und selbst das bedeutende Smithonian National Museum of African Art in Washington D.C. ließ nun seine Vizedirektorin verkünden, dass es unverzüglich einen „Restitutionsprozess, der auch Rückführungen umfasst“ einleiten wird.

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