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Kontaktverfolgung bei CoronaLuca soll es richten

In Hamburg soll die privatwirtschaftliche Luca-App Infektionsketten ermitteln. Dabei hat der Datenschützer Bedenken.

Ganz schön neugierig: Luca-App Foto: Jens Büttner/dpa

Hamburg taz | Weil die staatliche Corona-Warn-App noch ein bisschen schwach auf der Brust ist, will Hamburg jetzt die privatwirtschaftliche Luca-App nutzen. Der Senat hat eine Lizenz für das System erworben, das es ermöglicht, Kontakte digital zu erfassen und auf diese Weise Infektionsketten nachzuverfolgen. Die Luca-App wurde bekannt und gehypt, nachdem sie der Fanta-Vier-Rapper Smudo vor einem Monat in der Talkshow Anne Will vorgestellt hatte – und anschließend gleich wieder verrissen.

Die App generiert auf dem Smartphone minütlich einen neuen QR-Code – ein einzigartiges Würfelmuster ähnlich dem Barcode, der auf jedem Produkt zu finden ist. Mit diesem Code kann man sich in einem Konzert oder Restaurant per Scan einchecken. Man wird automatisch wieder ausgecheckt, sobald man den Ort wieder verlässt.

War einer der Gäste infiziert, informiert die App alle Gäste, die sich zur gleichen Zeit vor Ort aufgehalten haben und auch die Gesundheitsämter, die dann automatisch auf die Daten der übrigen Gäste zugreifen können. Dafür muss der Senat allerdings erst noch die Voraussetzungen schaffen, wie er selbst einräumt.

Zusätzlich bietet die App ein Kontakttagebuch an. „Hier sehe ich bis zu 30 Tage zurück, wo ich wann war – genau das Kontakttagebuch, was Virologen wie Christian Drosten empfehlen“, heißt es ein einer Handreichung des Senats.

Es wäre sinnvoll gewesen, die Prüfung durch die Berliner Datenschutz-Beauftragte abzuwarten

Johannes Caspar, Datenschutzbeauftragter

Unklar ist, warum der Senat nicht auf das Update der 70 Millionen Euro teuren Corona-Warn-App gewartet hat, das für kurz nach Ostern angekündigt war, und eine ähnliche Zusatzfunktion bieten soll. Auf Fragen der taz zu den Gründen für die Entscheidung und der Einschätzung der öffentlich diskutierten Bedenken konnte der Senat am Dienstag noch nicht antworten.

Klar ist aber, dass der Senat den Landesdatenschutzbeauftragten nicht eingebunden hat. „Die Entscheidung ist hier nicht bekannt“, teilte Johannes Caspar mit. „Es wäre sinnvoll gewesen, die Prüfung der Luca-App durch die Berliner Datenschutzbeauftragte abzuwarten.“ Die Entscheidung für Luca hat der öffentliche IT-Dienstleister Datatport für insgesamt zehn Bundesländer getroffen.

Caspar bemängelt Defizite bei der Transparenz – das Programm für die App ist nicht vollständig einsehbar. Er kritisiert, dass die Daten zentral gespeichert werden und dass alle Gesundheitsämter den gleichen Schlüssel haben werden.

Corona-Warn-App mit dezentralem Ansatz

Der Senat verweist darauf, dass ein Gesundheitsamt Daten nur auslesen kann, wenn die Entschlüsselung entweder durch den Gast oder den Gastgeber freigegeben wird. Die Daten würden in Deutschland bei einem nach ISO-27001 zertifizierten Anbieter gespeichert.

„Datenschutzfreundlich wäre es insoweit gewesen, wenn auch dezentrale Lösungen zugelassen worden wären, bei denen ein Rückkanal zum Endgerät der Nutzer genügt hätte“, sagt dagegen Caspar. Eine App zur digitalen Kontaktdatenerhebung sei schließlich der Schlüssel, um am öffentlichen Leben teilzunehmen. „Das kann und sollte grundsätzlich auch datensparsam möglich sein“, findet Caspar.

Im Gegensatz zur Luca-App bleibt auch die neue Version der Corona-Warn-App dem dezentralen Ansatz treu. Sie schickt keine Daten an die Gesundheitsämter, die Nutzer bleiben weiterhin anonym. Die Angaben über einen Veranstaltungsbesuch bleiben auf dem Smartphone. Sollte jemand infiziert sein, werden alle eingeloggten Gäste durch die App gewarnt – so, wie es jetzt schon funktioniert, wenn sich jemand Infiziertes im Bluetooth-Radius des Smartphones aufhält.

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