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Metoo an der Berliner VolksbühneNachdem der Vorhang fiel

Unsere Autorin hat zwei Jahre an der Volksbühne gearbeitet. Sie ist über die Metoo-Vorwürfe gegenüber Ex-Intendant Klaus Dörr kaum überrascht.

Geteilter Himmel über der Volksbühne. Wie geht es nun weiter am Haus? Foto: David baltzer/Zenit

Berlin taz | „Beim nächsten Mal dann“, sagte mir Klaus Dörr und zwinkerte mir zu, als sei er mein Kumpel. Das Zwinkern von Dörr kennt wohl je­de:r Mit­ar­bei­te­r:in der Volksbühne. Dörr hatte sich zu mir in die Eintrittshalle der Volksbühne gestellt, weil ich mich einen Tag vor dem Frauenkampftag am 8. März 2019 mit einer Mail an das Intendantenbüro gewandt hatte:

„Ich arbeite im Abenddienst der Volksbühne und würde mich gerne am ­Frau­en*­streik morgen beteiligen.“ Ob es von der Volksbühne eine Stellungnahme hierzu gäbe?

Am Maxim Gorki Theater in Mitte war bereits abzusehen, dass zwei Vorstellungen (davon eine Premiere) wegen des Streiks ausfallen müssten. Ich erhoffte mir von der Volksbühne ein ähnliches, feministisches Signal. Deshalb fragte ich erneut schriftlich nach.

Ich war schon lange genervt vom Pseudofeminismus an der Volksbühne, der sich unter anderem auch daran zeigte, dass Theaterstücke als feministisch beworben wurden, aber von Regisseuren auf die Bühne gebracht wurden, die wenig neue Impulse boten. Und hatte Hoffnungen, dass man sich wenigstens auf den Streik einließ – was am linken Maxim Gorki Theater geht, geht auch an der linken Volksbühne, dachte ich. Weit gefehlt.

Dramaturgie des Abgangs

In der vergangenen taz am wochenende berichtete taz-Kollegin Viktoria Morasch davon, dass zehn Frauen Machtmissbrauch und sexualisierte Grenzüberschreitungen seitens Klaus Dörrs, des Intendanten der Volksbühne, meldeten. Zwei Tage später gab Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bekannt, dass Dörr sein Amt niederlegt. Mittlerweile berichteten auch internationale Medien wie die New York Times und der Guardian. Vieles ist noch ungeklärt. Etwa, warum Dörr im Amt blieb, obwohl Lederer seit Januar von den Meldungen der Belästigungen wusste. Weiteres auf taz.de. (nio)

Als ich am Abend Dienst hatte, um Karten zu scannen und Türen aufzuschließen, kam Dörr mit beschwichtigender Stimme zu mir, um mir zu erklären, dass meine Mail zu kurzfristig kam. Da sei leider nichts mehr zu machen. Beim nächsten Mal dann. Zwinker, Zwinker.

Die Theaterleitung antwortete mir per Mail, mit einem Satz, der sich auch als Drohung lesen ließ. So müsse auf die „heikle Thematik des Streikrechts und seiner Konsequenzen für die Mit­ar­bei­te­r*in­nen“ hingewiesen werden. Ich zitterte vor Wut. Was sollte das überhaupt bedeuten?

Wie entgiftet man das Klima?

Das alles hat nichts mit sexualisierter Belästigung zu tun. Das zu trennen ist mir wichtig. Dennoch ist es eine Stimmung, die mich nicht wundern ließ, als taz-Kollegin Viktoria Morasch aufdeckte, dass es Vorwürfe der sexualisierten Belästigung und des Machtmissbrauchs durch den damaligen Intendanten Klaus Dörr gibt.

Sie schreibt in ihrem Text: „Die Vergiftung des Betriebsklimas sowie herabwürdigende Äußerungen werden sowohl Klaus Dörr als auch der geschäftsführenden Direktorin Nicole Lohrisch zur Last gelegt.“ Meine Wahrnehmung, als eine von vielen Mit­ar­bei­te­r:in­nen an der Volksbühne unter dieser Leitung, ist ähnlich.

Doch was nun – wie entgiftet man das Klima? In den sozialen Medien verlangen jetzt viele nach einer Frau als Nachfolgerin. Das ist eine gute Idee, aber sie ist reflexhaft. Natürlich braucht es mehr Frauen in Führungspositionen an Theatern, aber man sieht ja an dem Verhalten von einzelnen weiblichen Führungspersonen, dass mit dem Arbeitsverhältnis der Mit­ar­bei­te­r:in­nen auch Macht ausgeübt wird.

Zweitens verkennt die Forderung nach einer Frau als neuer Intendantin die besondere Situation des Hauses. Es gibt an der Volksbühne nicht wenige Mitarbeiter:innen, die unter der Ära Frank Castorf anfingen zu arbeiten und sich nach Re­gis­seu­r:in­nen wie René Pollesch sehnen. 2019 wurde bekannt, dass Letzterer ab Sommer 2021 die Volksbühne leiten wird. Ein Aufatmen war unter den Volksbühnen-Mitarbeiter:innen und -Freund:innen zu spüren.

Es gilt im Haus eine Lücke zu schließen, zwischen denen, die unter Dörr und Dercon angestellt wurden und jenen, die seit der Castorf-Ära am Theater am Rosa-Luxemburg-Platz arbeiten. Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Stimmung im Haus der vergangenen Jahre.

Pollesch hat das Potenzial für einen Neustart

Bevor im Jahr 2017 Frank ­Castorf nach 25 Jahren an der Volksbühne ging, erlebte das Theater einen Hype: Ber­li­ne­r:in­nen wie Tou­ris­t:in­nen aus der ganzen Welt besuchten die Volksbühne noch ein letztes Mal. Fast das komplette Ensemble ging mit Castorf. Chris Dercon, sein Nachfolger, der ehemalige Leiter der Tate Gallery of Modern Art in London, stellte kein neues Ensemble auf. Somit gab es kein festes Team, und die Stimmung im Haus war wie in einer Schockstarre.

Dercon war für viele an der Volksbühne ein Intendant, der das Theater zu seiner Kunstausstellung macht. Während die Be­su­che­r:in­nen­zah­len sanken, stiegen die Ausgaben für die Inszenierungen und der Frust unter den Mitarbeiter:innen.

Nach nur neun Monaten ging Dercon, und es war wieder so etwas wie Hoffnung zu spüren im Haus: Schlimmer konnte es ja nicht werden, oder? Klaus Dörr wurde als Interimsintendant benannt. Dörr kam aus Stuttgart, vom Theater, hatte Erfahrung im Bereich der Finanzen – konnte also dort punkten, wo es Dercon gemangelt hatte. Von einigen im Haus wurde es damals als langweilig wahrgenommen, aber als Übergang, der aushaltbar war.

Mit der erwähnten Ernennung Polleschs zum Intendanten ist Hoffnung in Sicht. Er ist der beste aller Kompromisse, er kennt die Strukturen im Haus, und er kann basisdemokratisch führen – eine Seltenheit im Theaterbetrieb. Gleichzeitig ist Pollesch kein Gestriger. Er bezieht Schau­spie­le­r:in­nen und As­sis­ten­t:in­nen in die Entstehung eines Bühnenstücks ein und versteht seine Regie als Teamarbeit.

Er ist ein feministischer Antiautoritärer, dem man das, was auf der Bühne gespielt wird, auch hinter der Bühne glaubt: Während in seinem Stück „Black Maria“ davon gesprochen wird, dass die „Sichtbarkeit des alten, weißen Mannes“ aufgelöst werden muss, glaubt man ihm, dass er das wirklich möchte. Er hat das Potenzial für einen echten Neustart an dem Theaterhaus und kann dafür sorgen, dass nach ihm viele In­ten­dan­t:in­nen folgen, die keine Männer sind.

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3 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Part 2

    Ansonsten - freue ich mich auf den ersten weiblichen Don Giovanni - und bin jetzt schon gespannt in welcher Stimmlage sie singen wird. Nichts ist unmöglich – was es braucht ist die Idee und die Kraft aus einem Haufen von Idealisten, Realisten, Cholerikern und sonstigen Nihilisten & Esoterikern ein Team zu bilden welches grenzüberschreitend die Idee umsetzt. Das ist Theater und die Erklärung, dass Theater IMMMER zwischen einem Zustand einer vergifteten Schlangengrube und absoluter Begeisterung hin und her eiert – je nach Anspruch, der durch die Theaterleitung und Regie mehr oder weniger verkörpert wird.

    Basisdemokratie am Theater? Ist schon vor 35 Jahren gescheitert. Weil es immer darum geht Beharrungskräfte zu überwinden. Wollen sie nun ein feministisches Theater oder nicht? Oder lehnen sie vorab das Erlebnis ab, das eine Frau das normale wiederstreitende Chaos in womöglich zauberhafte Schwingungen versetzt? Sie möchten erst nach einer Genderbereinigung starten? Mit dem großen Besen erst mal auskehren? Also nach Rene Pollesch? Warum eigentlich erst so spät?

    Ansonsten – nach meiner Meinung halten sie ein Juwel in der Hand und wissen nicht dass ein Juwel erst dann sein zauberhaftes Funkeln entwickelt wenn er geschliffen ist. Pollesch an der Volksbühne – ist doch nichts Neues – warum schreiben sie nichts über die Zeit von Pollesch am Prater? Vielleicht hätte ich dann verstanden was Sie mit feministischem Theater meinen.

    Darüber hinaus – Theater mit einer Intendantin gibt es schon – und sogar ein Staatstheater, welches frauenspezifisch Mitarbeiter bei der Einstellung auswählt – und zwar ohne Quote und ohne Kompromisse – zu 100%. Theater ist auch immer ein permanenter Wechsel. Mit halben Sachen sollten sie sich nicht zufrieden geben – sonst würden sie nicht Nachts von Bildern träumen aus Inszenierungen die sie vor Jahren erlebt haben. Trauen sie sich.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Wie entgiftet man das Klima? Part 1

    Ob Nicole Opitz tatsächlich über Theater spricht weiß ich noch nicht - aber ich denke darüber nach.

    Rene Pollesch, studierter Theaterwissenschaftler ist geprägt durch Heiner Müller, George Tabori, Robert Wilson, Theater am Turm, Royal Court Theatre/London, Luzerner Theater, Deutsches Schauspielhaus und durch die langjährige Arbeit an der Spielstätte ""Prater der Volksbühne""



    in Berlin. Alles Theater oder Theatergiganten die "Theater machen" immer als multilaterale Angelegenheit verstanden haben. Ob Hase oder Igel - oder als Schnecke mit Schwanz oder ohne - prinzipiell egal - im Vordergrund steht die Umsetzung der Inszenierungsidee und das häufig an Verrücktheit erinnernde Engagement der Regisseure die dem Gewusel wiederstreitender Gefühle und Ansichten einen passenden Ausdruck verleihen.

    Wenn es in dieser Riege einen alten weißen Mann gibt war es Georg Tabori. Ist das das Kriterium? Wirklich? Oder einer dieser Männer, der Videos über den Atlantik schickte - damit Schauspielerinnen sich vorab ein Bild von der Inszenierungsidee machen konnten - flippte völlig aus wenn Missverständnisse seine Idee verwässerten. Es waren auch Frauen die er dann auf offener Bühne über Gebühr angiftete - auf eine Art die einen eher animierte die Räumlichkeit zu verlassen.



    Ist das nun der alte weiße Mann vor dem immer gewarnt wird? Oder der Antifeminist verkleidet als Antichrist der ausgiebig völlig ausblockt weil der Strich auf dem Vorhang nicht seinen Vorstellungen entspricht? Ist das nun Antifeminismus?

    Warum – Himmel - ist Rene Pollesch ein Kompromiss? Warum geben sie sich mit einem Kompromiss zufrieden? Vorab: Am Theater gibt es keine Kompromisse. Sicher. Wenn ein tonnenschwerer Betonblock durch den Bühnenraum fliegen soll wird er eben zum fliegen gebracht - so einfach ist das - mit allen Tricks und mit aller Kreativität die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen.



    Das ist Theater.

  • ..."Natürlich braucht es mehr Frauen in Führungspositionen an Theatern, aber man sieht ja an dem Verhalten von einzelnen weiblichen Führungspersonen, dass mit dem Arbeitsverhältnis der Mit­ar­bei­te­r:in­nen auch Macht ausgeübt wird."...

    Ohne eine Dosis Macht lässt sich eine verantwortungsvolle Führungsposition nicht ausfüllen. Es kommt darauf an, wie sie eingesetzt wird. "Frau und Macht" ist in unseren nach wie vor patriachal verankerten Denk- und Rollenmustern eine von vornherein skeptisch betrachtete Verbindung, gesellschaftlich wie individuell , besonders auch von den eigenen Geschlechtsgenossinnen. Sie schwanken in ihrer Erwartung zwischen dem Wunsch, mit einer souveränen weiblichen Leitungsfigur in schweaterlicher Souveränität zu arbeiten und der beständigen, unterschwelligen Furcht vor Frauenkonkurrenz.