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Die ideale Feministin

Grischa Huber war im deutschen Kino der 1970er die Frau, wie sie sich Au­to­ren­fil­me­rin­nen wünschten: politisch kämpferisch, erotisch aktiv, mutig und klug

Grischa Huber Foto: D. Tietze/CC

Von Benno Schirrmeister

Sicher nicht ihr bester Film, aber das vielleicht mutigste Projekt, an dem mitgewirkt hat, war 1985 das TV-Drama „Colonia“. Darin spielte Grischa Huber, die am Dienstag nach langer Krankheit in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben ist, eine Exil-Chilenin. Eliana Cordoba heißt sie, ist Lehrerin und lebt in Hamburg: Dort hilft sie dem von Michael Degen gespielten Protagonisten Karl Brunner. Um seine Tochter aus deren Fängen zu befreien, will er nämlich eine Sekte im faschistischen Chile infiltrieren.

Es handelt sich selbstverständlich um die vom Deutschen Paul Schäfer gegründete totalitär-christliche „Colonia Dignidad“, in der Augusto Pinochets Geheimdienst foltern ließ. Mit dem waren große Teile der Bonner Bundesregierung eng verpartnert. Zwei Jahre dauerte es, bis der Film, eine ARD-Produktion, am Ende im Fernsehen gezeigt wurde, als auch in den Nachrichten begonnen wurde, von dem Skandal zu reden, und die christdemokratische deutsche Regierung genug damit zu tun hatte, ihre Verwicklung kleinzureden.

Doch, dieser Thriller war trotz kitschig-holprigem Drehbuch ein Akt der Aufklärung: Plötzlich erfuhren auch wenig am politischen Geschehen Interessierte etwas über dieses widerwärtige Camp. Mit einem solchen Film konnte man anecken in der Helmut-Kohl-Zeit und sich auch bei den staatlichen Filmförderstellen unbeliebt machen. Hubers Karriere gefördert hat er jedenfalls nicht; nicht im bleiernen Klima der Vorwende-Zeit, als Politik ein Schimpfwort und Ideologie ein rechter Kampfbegriff geworden waren.

Wer dem Gegensatz gesellschaftlicher Stimmungen in der Bonner Republik nachspüren will: Es gibt wenige Filme, die den Aufbruch der frühen 1970er-Jahre besser eingefangen haben als „Unter dem Pflaster liegt der Strand“. Das ist der Erstling der Regisseurin Helma Sander-Brahms – und eben das Werk, mit dem aus der 1944 in Misdroy auf der Insel Wolin in der Pommerschen Bucht geborenen Christel Magdalena Huber, bis dato vor allem als Theaterschauspielerin in Karlsruhe, München und Berlin erfolgreich, eben die berühmte Grischa Huber wurde: eine, nein, die selbstbestimmte Frau. Denn Kino kann das: eine Idealvorstellung zum Leben erwecken. Und Grischa Huber, die auch das Drehbuch mitgeschrieben hat, verkörpert in dem Film, was sich die damals neue Generation der Schauspielerinnen der Frauenbewegung von der Emanzipation erhoffte.

Denn statt der Ablehnung von Mutterschaft und der Negation von Weiblichkeit, für die Simone de Beauvoir eingetreten war, versuchten damals Julia Kristeva, Adrienne Rich oder Hélène Cixous genau diese Mythen neu zu besetzen: Dass Empfängnisverhütung und Abtreibung die Frage nach dem Sinn von Mutterschaft neu stellten, hatte Modelle weiblicher Identität verhandelbar gemacht, so Luce Irigarays Erklärung dieses differenzfeministischen Ansatzes.

Das ist der Diskurs, den Huber und Sanders-Brahms mit dem Film mitprägten: Sie spielt darin die Schauspielerin Grischa, die nach der Probe mit dem Schauspieler Heinrich (Heinrich Giskes, der auch am Drehbuch mitschrieb) versehentlich eingesperrt ist. Er baggert sie an. Sie lässt ihn abblitzen. Sie diskutieren eine Nacht lang über Sex, Mutterschaft und Abtreibung. Erst aus der Zwangsgemeinschaft entlassen, trennt sich Grischa von ihrem Mann und beginnt eine Affäre mit Heinrich. Weil der von Kindern schwadroniert – geht sie hin und macht eine große Recherche: Sie befragt Mütter sozusagen als Zeitzeuginnen zu Mutterschaft. Und kommt zu dem Schluss, dass Heinrich, na ja, vielleicht ein netter Typ ist, mit dem sich Lust erleben lässt. Große Lust! Aber nichts sonst.

Ihr Lachen war schön und verführerisch. Ihr Gesicht konnte einen Film tragen. Am Theater – lange gehört sie zum Ensemble des Hamburger Schauspielhauses – sind es oft kleinere Rollen, in denen sie brilliert hat: Die Lebedame Madelaine de Marelle etwa übernimmt sie 1988 in Peter Zadeks legendärer „Lulu“-Inszenierung, und sicher nicht nur, weil sie das beste Französisch am Haus sprach. Die Aufführung gibt es auch auf DVD und wird ihr zu Ehren am 17. April 24 Stunden lang auf der Homepage des Schauspielhauses gestreamt.

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