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Rassismus im spanischen FußballAm Boden zerstört

Valencia CF streikte, nachdem Moucta Diakhaby rassistisch beschimpft wurde. Spaniens Liga hat ein Problem mit Rechtspopulismus und Rassismus.

Moucta Diakhabi und seine Kollegen von Valencia CF verlassen den Platz Foto: Marca/imago

Am Dienstag, kurz nach dem Training, will Juan Torres Ruíz „Cala“ sprechen. Fast 48 Stunden nach dem Vorfall, der den spanischen Fußball in Atem hält. „Ich werde mich nicht verstecken“, nur so viel erklärte Cala den wartenden Journalisten, und: „Es scheint, dass es in diesem Land keine Unschuldsvermutung gibt.“

Seinem Trainer und seinen Mitspieler zufolge beteuerte er intern bereits: Er habe Moucta Diakhaby nicht als „negro de mierda“ beleidigt.

So hat es der französische Innenverteidiger des Valencia CF verstanden, bei einem Zweikampf im Ligaduell beider Teams am Sonntagabend. „Scheiß Schwarzer“: Das N-Wort ist im Spanischen doppeldeutig, weil „negro“ wörtlich schwarz heißt, aber in dieser Kombination selbst bei wohlwollendster Auslegung eine rassistische Beleidigung ist. „Etwas anderes: okay, aber nicht ‚negro de mierda‘!“, rief Gabriel Paulista, Diakhabys Mitspieler, bei der folgenden Rudelbildung.

Für das Anzetteln des Tumults erhielt Dia­khaby die Gelbe Karte. Von der Verunglimpfung hätten weder er noch seine Assistenten etwas mitbekommen, teilt Schiedsrichter Medie Jiménez mit, aber Diakhaby habe ihn davon informiert.

Vorbild İstanbul Başakşehir

Valencia nämlich verließ den Platz – ganz nach dem Vorbild von İstanbul Başakşehir im Dezember in Paris, wo der vierte Offizielle den Co-Trainer Pierre Webó diskriminiert haben soll. Damals schlossen sich die Spieler von Gegner PSG solidarisch an, diesmal gingen die von Cádiz nur notgedrungen mit in die Kabine.

Der zweite Unterschied: Es handelte sich letztlich um eine Unterbrechung, eine Viertelstunde später wurde das Spiel wieder aufgenommen. Der Schiedsrichter habe ihnen den „Verlust der drei Punkte oder mehr“ als Konsequenz eines fortgesetzten Streiks angedroht, so Kapitän José Luis Gayà.

Diakhaby selbst habe die Kollegen daher zum Weitermachen animiert. Nur er selbst wollte nicht mehr. Konnte nicht mehr. Der 24-Jährige ließ sich auswechseln. 

„Diakhaby ist am Boden zerstört“, berichtete Gayà später, und die TV-Zuschauer bekamen das auch mit: Er verfolgte das weitere Geschehen von der Tribüne aus.

„Du bist nicht allein“

„Ihn so zu sehen in seiner schwarzen Jacke, mit der Gesichtsmaske und dem verlorenen Blick auf den Rasen, wo die anderen spielten: das war ein Kantersieg gegen die Menschlichkeit“, kommentierte anderntags Spaniens größte Sportzeitung Marca, die auf einer komplett schwarzen Titelseite nur dieses Foto zeigte mit der Überschrift: „Du bist nicht allein“. 


In Spanien fügt sich der Vorfall einerseits in eine Tradition, in der es in losen Abständen immer wieder rassistische Ausfälle gibt, die lange nicht geahndet wurden. Doch als Athletic Bilbaos Iñaki Williams vor gut einem Jahr während des Spiels bei Espanyol verunglimpft wurde, startete die Staatsanwaltschaft Barcelona auf Anzeige der Liga ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Krakeeler – eine Pioniermaßnahme.

 Andererseits fällt die Episode in Cádiz in eine Zeit, in der das Gift des Rechtspopulismus tiefer in die Gesellschaft träufelt.

Wo es bis vor wenigen Jahren keine nennenswert xenophobe Partei gab, sitzt die fremdenfeindliche Vox mittlerweile als drittstärkste Fraktion im Parlament und stützt mehrere Regionalregierungen, darunter die in Madrid. Unter Fußballern erhält sie für ihre radikalen Attacken auf die sozialistische Regierung erstaunlich oft Applaus. Er kommt etwa vom ehemaligen Nationaltorwart Pepe Reina, dem Ex-Galáctico Luís Figo oder dem Verteidiger Álvaro González von Olympique Marseille, der voriges Jahr gegen Neymar rassistisch ausfallend geworden sein soll. Nicht zuletzt outete sich Spaniens Ligachef Javier Tebas als Vox-Wähler.

Auch vor diesem Hintergrund wird nun interessiert verfolgt, was die Liga im Fall Diakhaby/Cala unternimmt. Am Montagnachmittag war noch keine Tonbandaufzeichnung bekannt, aber die tauchen in Spanien oft erst in den TV-Nachberichten am Montagabend auf. Will Cala deshalb lieber bis Dienstag warten, wozu ihm angeblich der Verein riet? Fürs Erste steht nur das Ergebnis des Spiels fest. 2:1 für Cádiz, unter anderem durch ein Tor von Cala.

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