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Wandel bei Miss-WahlenDie neue Vermessung der Frau

Wenn es bei „Miss Germany“ nicht mehr um Schönheit geht und selbst „Germany’s Next Topmodel“ auf divers macht – ist dann irgendwas gewonnen?

Anders als in den 50ern sollen heute die richtigen Maße nicht mehr ausschlaggebend sein Foto: Bundesarchiv

Hannover taz | „Miss Hamburg“ heißt Julia Kremmer und ist „Plus-Size-Model“, „Miss Bremen“ heißt Mara Maeke und hat einen künstlichen Darmausgang, „Miss Sachsen“ heißt Sophie Jones und ist den Zeugen Jehovas entkommen, „Miss Berlin“ heißt Katharina Wohlrab und studiert Informatik, ist lesbisch und hat sexuelle Gewalt überlebt.

Super sehen sie aus, sagt die Moderatorin. Bei der diesjährigen Wahl zur „Miss Germany“, die am vergangenen Wochenende in der Europa-Park-Arena in Rust stattgefunden hat, standen nicht nur 16 Schönheiten, sondern auch 16 Lebensgeschichten auf der Bühne, dem Laufsteg, dem virtuellen Präsentierteller der ansonsten Zuschauer-freien Show.

Vieles hat sich geändert bei diesem Schönheitswettbewerb und nicht nur dort: Selbst „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM) eine Sendung, die zuverlässig unterirdische Frauenbilder liefert, hat sich für die aktuelle Staffel mehr Diversität verordnet.

Es gibt eine geflüchtete, eine gehörlose, eine kurvige und eine kleine Kandidatin. Hautfarbe, Konfektionsgröße und Alter sollen keine K.-o.-Kriterien mehr sein dürfen.

Ist das jetzt ein Zeichen der Zeit oder bloß ein PR-Gag?

Sind sie also endgültig vorbei, die Zeiten, in denen junge, schöne Frauen in Bikinis oder Badeanzügen an einer überwiegend männlichen Jury vorbeistöckelten? Sich begutachten und bewerten, vorführen – und verkaufen ließen? Oder wird hier immer noch von Charakter und Ausstrahlung gefaselt, aber auf Brüste und Beine geschaut?

Die Miss-Wahl verzichtet tatsächlich auf den Bikinilauf, bei GNTM müssen die Frauen, die natürlich auch immer noch Mädels oder Girls heißen, stattdessen nackt laufen, Nippel und Scham knapp beklebt.

Was genau heißt dieser seltsame Wandel also jetzt? Ist das ein Zeichen der Zeit oder des Untergangs? Ermutigung oder Verzweiflung? Ein Sieg des Feminismus oder ein blöder PR-Gag?

Anscheinend sind Frauenkörper als Projektionsfläche einfach unschlagbar. Die entsprechenden Formate für Männer bekamen nie so viel Aufmerksamkeit. Obwohl es Anfang der Neunziger, in den wilden Zeiten des noch jungen Privatfernsehens, mal eine lustige Show gab, die versuchte, den Spieß umzudrehen. Bei „Mann-o-Mann“ mussten sich die Männer in albernen Spielchen vor einer weiblichen Jury beweisen, die abgewählten Kandidaten wurden in den Pool geschubst.

Ein Streifzug durch die Miss-Geschichte

Aber da wird es dann eben auch immer gleich albern. Miss-Wahlen hingegen waren mal ein beinhartes Geschäft. Und jetzt?

Anscheinend sind Frauenkörper als Projektions­fläche einfach unschlagbar

Anlass genug für einen Streifzug: Durch die an Absurditäten reiche Geschichte der Miss-Wahlen, das seltsame Geschäftsmodell hinter den Schönheitswettbewerben, die besten Filme zum Thema und die Halbwertzeit des Krönchens.

Außerdem widmen wir uns den Fragen, ob „Body Neutrality“ nicht cleverer ist als „Body Positivity“ – und welche Mission „Miss Bremen“ nun eigentlich verfolgt.

Mehr über den Wandel der Misswahlen und Schönheitsideale lesen Sie in unserem Wochenendschwerpunkt in der gedruckten taz am wochenende oder hier am E-Kiosk.

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10 Kommentare

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  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    In Zeiten, in denen die Eigentümer*innen des Privatfernsehen, Geld bezahlen müssen, wenn Geld auf einem Konto bei der Sparkasse, Genossenschaften und Privatbanken liegt(Negativzinsen), dann kann man es auch für Firlefanz ausgeben, vielleicht wird es ja ein Megatrend.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch schlenztein:

    “ PätchelOhr

    So lang TV-Shows wie "Bachelor" "GNTM" usw. Erfolg haben, ist der Markt für die Produkte und das Jungvolk vorhanden. Gleichermaßen für Frauen und Männer.







    Sklavenmarkt oder Freudenhaus -



    ich werde nicht recht schlau daraus.







    Aber lassen wir mal Robert Gernhardt zu Wort kommen:



    "Dich will ich loben: Häßliches,



    Du hast so was Verläßliches.



    Das Schöne schwindet, scheidet, flieht -



    fast tut es weh, wenn man es sieht.



    Wer Schönes anschaut, spürt die Zeit



    und Zeit meint stets: Bald ist`s soweit.



    Das Schöne gibt uns Grund zur Trauer.



    Das Häßliche erfreut durch Dauer.“

    kurz - “Sommerwind“ -“…So ein Jonny -



    Das ging beinah in die Hüse - Hüse? - Hose!“

    • @Lowandorder:

      Ein Lob dem



      - PätchelOhr!-



      ;-)

  • ....Anscheinend sind Frauenkörper als Projektionsfläche einfach unschlagbar....

    Das ist irgendwie zeitlos.(Schön)

    Noffi(Berlin!), Saskiababy, Mona Lisa...

    Das sind PR-Gags!

    Mona Lisa



    www.youtube.com/watch?v=G2vgJ0MGOlg

  • Zitat: „Sind sie also endgültig vorbei, die Zeiten, in denen junge, schöne Frauen [...] sich begutachten und bewerten, vorführen – und verkaufen ließen?“

    Quatsch! Wo bliebe denn da das Geschäft?

    Wer heutzutage unter Zuhilfenahme der uralten Idee des Sklavenhandels erfolgreich Geld, nun ja, verdienen möchte, muss immer noch aus einer Person eine Ware und aus dieser anschließend eine „Projektionsfläche“ machen. Frauenkörper eignen sich zu diesem Zweck nur deswegen besonders gut, weil sie für die meisten Menschen sozialisationsbedingt bereits Projektionsflächen sind. Ein Teil der Arbeit, die der Händler/die Händlerin erledigen müsste für seinen/ihren Gewinn, erübrigt sich also. Zwecks Maximierung des Gewinns gilt es lediglich herausfinden, worauf der Kunde/die Kundin gerade besonders fixiert ist und seine „Ware“ entsprechend zu präsentieren. (Und ihr, liebe Medien, solltet euch endlich besser bezahlen lassen für euren nicht unerheblichen Beitrag zum Geschäft, statt immer nur zu jammern darüber, wie schlecht ihr derzeit dran seid.)

    Nein, ein Sieg des Feminismus sind „moderne“ Miss-Wahlen gewiss nicht. Denn nie hat eine der Teilnehmerinnen auch nur ansatzweise zu bestimmen darüber, welche ihrer Eigenschaften zählt. Das jeweilige Ideal wird vom Veranstalter und vom Publikum vorgegeben. Die Bewerberinnen haben sich lediglich einzufügen in den vorgegebenen Rahmen, wenn sie „gewinnen“ wollen.

    Einen „blöde[n] PR-Gag“ dahinter zu vermuten, wird der Sache allerdings auch nicht gerecht. Denn „blöde“ würde voraussetzen, dass die Akteure nicht wissen können, was sie tun. Und wer ihnen das unterstellen würde, täte ihnen vermutlich ganz schwer Unrecht.

    Merke: Selbst wenn zur Abwechslung mal nicht „auf Brüste und Beine geschaut“ wird, sondern



    tatsächlich „Charakter und Ausstrahlung gefragt“ sind, bestimmen noch immer nicht die Aspirantinnen darüber, welchem Ideal diese „Werte“ zu entsprechen haben. Selbstbestimmung? Fehlanzeige! Das ist und bleibt Fremdbestimmung.

    • @mowgli:

      Danke - …anschließe mich.