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Racial Profiling im SupermarktImmer wieder ich

Wenn unser Autor einkaufen geht, wird er immer wieder von Ladendetektiven angehalten und kontrolliert – nur, weil er nicht weiß ist.

Die Überwachungskameras drehen Pirouetten Foto: Malte Müller/Westend61

L adendetektive und ich, wir werden keine Friends mehr. Regelmäßig belästigen sie mich beim Einkaufen. Entweder sie kleben an mir zwischen den Regalreihen, ihre Kameras an der Decke drehen Pirouetten gemäß meiner Bewegungen oder die kleinen Columbos sind noch dreister und fischen mich (natürlich ganz zufällig) heraus, um in meinen Rucksack zu schauen.

So zum x-ten Mal geschehen am vergangenen Freitag. Ich war in einem Netto-Supermarkt in Berlin (nicht der mit dem Hundelogo, der andere). Nachdem ich das gesuchte Produkt nicht gefunden hatte, fragte ich eine Kundin an der Kasse freundlich, ob ich mit Corona-Abstand vorbei dürfe. Wenige Schritte später hielt mich ein älterer Herr mit einer zu locker sitzenden Gesichtsmaske auf. Aus dramaturgischen Gründen nenne ich ihn Heinrich.

Er zeigte einen unleserlich-labbrigen Ausweis vor und fragte, ob ich was mitgenommen hätte ohne zu bezahlen. Als ich das verneinte, schaute er skeptisch, wollte mich aber großherzig gehen lassen. Nur wollte ich nicht mehr gehen und fragte, wie er darauf komme, dass ich klaue. Er sagte, er habe mich lediglich im Markt aus den Augen verloren. Als ich ihn nochmal zur Rede stellte, pustete er nur noch in seine halbe Maske. Also bat ich darum, mit der Filialchefin zu sprechen, was ihn empörte.

Die Filialleiterin, das muss ich ihr lassen, hat versucht die Situation zu klären, sich später auch entschuldigt. Detektiv Heinrich behauptete vor ihr, mein (halb leerer) Rucksack sehe halt so voll aus. Als ich erklärte, dass von Rassismus betroffene Menschen unter Generalverdacht gestellt würden und viele rassismuskritische Organisationen das dokumentieren und bemängeln, schüttelte Heinrich den Kopf. Diese Kritik sei unangemessen. Er nuschelte einen Paragrafen vor sich hin und deswegen dürfe er jede Person kontrollieren. Jeder Kunde sei ein potenzieller Täter. Mein Kopf dann so: Das ist keine gute Werbung für den hundelosen Netto.

Anyways: Heinrich, es ist klar, warum du Extra-Auge auf Schwarze Menschen und People of Color machst – während Jonas und Annika in Ruhe klauen können, wenn sie wollen. Solche Heinriche denken, dass jeder Nafri in Jogginghose abgepacktes Fleisch in Aspik mitgehen lässt. Sie denken, dass der Laden ihr Revier sei, sie jeden Morgen wie in einem Trailer für eine nachmittagliche RTL-Scripted-Reality mit verschränkten Armen und eisernem Blick vor der Kamera posieren und sie mit der Menschenwürde machen können, was sie wollen. Leider reicht der Platz hier nicht aus, um alle Paragraphen aufzuzählen, warum das nicht geht.

Weil ich nun mal der dauernörgelnde Nafri bin, der ich bin, habe ich bei der Netto­-Zentrale gefragt, wie es der Konzern so mit dem Racial Profiling seiner Kundschaft hält. Die Antwort: Netto nehme alles sehr ernst und habe umgehend Rücksprache mit den Verantwortlichen gehalten. Eine Beleidigung oder sogar Diskriminierung sei zu keinem Zeitpunkt gegeben (was auch immer das bedeutet). Das Filial ­Team und den Security­ Dienstleister habe Netto für das Thema sensibilisiert (mal schauen). @Heinrich: See you next time im Laden.

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Mohamed Amjahid
Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen. Im September 2024 erscheint sein neues, investigatives Sachbuch: "Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt" ebenfalls bei Piper.
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5 Kommentare

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  • Hoffentlich können Sie das auch als Arbeitszeit als Journalist eintragen!



    Ja übel weg mit dem racial Profiling.

  • Die beschriebenen Zustände sind ja längst nicht nur bei Netto ohne Hund etablierter Standard. Und selbst wenn man nicht von regelmäßigen Taschenkontrollen betroffen ist muss man sich schon die Frage stellen was die inzwischen gängige Allgegenwart von "Sicherheits"-diensten und -technik mit einem selbst und der Gesellschaft macht. Vordergründig mag es zwar erst einmal absurd bis lächerlich anmuten wenn mein wöchentlicher Lebensmitteleinkauf in einem per vollständiger Videoüberwachung zum Panopticon hochgerüsteten Supermarkt von gleich drei kampfbestiefelten Muskelbergen in SpecOps-Aufzug bewacht wird. Wer glaubt irgendetwas davon sei tatsächlich ein substantieller Beitrag zu mehr Sicherheit irrt, sollte es nämlich tatsächlich mal zu einem bewaffneten Überfall kommen oder der IS zwischen Konserven und Ketchup einmarschieren haben auch die Securities trotz ihres martialisch aufgemotzten Auftretens nur genau diesselben Jedermannrecht über die auch das reguläre Personal verfügt. Was aber bleibt ist das Bewusstsein permanenter Überwachung sowie das permanente Gefühl einer latenten Bedrohung. Einer Gesellschaft die so viel auf die individuelle Freiheit gibt steht das schlecht zu Gesicht.

  • @Blackhero: Genau darum geht es, jede*r, wirklich jede*r, die/der gefühlt eine Nuance anders ist, steht unter Generalverdacht u. a. auch Menschen, die ohnehin schon mit Lebenserschwernissen, wie Reizüberflutung, Hypersensibilität, psychischen Krankheiten, ... zu kämpfen haben. Heinrichs gibt es nicht nur im Supermarkt oder bei der Polizei, Heinriche sitzen auch in Sozialämtern, Betreuungsbehörden, Arbeitsagenturen, Jobcentern, ... Also genau dort, wo man hinsichtlich spezieller Bedürfnisse geschult sein dürfte. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wird jeder/jedem die/der nicht mit "Arm ab" vospricht, jegliche Unterstützung/Leistung mit Verweis auf das Universaltotschlagargument "mangelnde Mitwirkung" verweigert, selbst bei Vorliegen eines einschlägigen Schwerbehindertenausweises. Es gibt keine unerhebliche Anzahl von Menschen, die sich infolge derartiger Repressalien nicht mehr aus dem Haus trauen.

    • @#Sascha:

      Wie passend zu meiner Situation. Ich, alleinerziehend mit Kleinkind, bekomme nach 5 Monaten Streit um die KdU jetzt gar kein Geld mehr trotz Bewilligung 🤣

  • Mit viel Aufwand richtig reagiert!



    Aber eins was mir immer mal wieder auffällt, es werden ja nicht nur PoC diskriminiert, im Prinzip kontrolliert Heinrich gerne jeden der nicht in sein "Normalo" Schema passt. Und zwar generell anlasslos, Polizist Heinrich macht das genauso gerne. Egal solange die die Person die nicht in Heinrichs Schema passt. Das Stichwort anlasslose Kontrollen, ist hier der Tür und Toröffner.