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Interner AfD-Streit über AntisemitismusWas Braunes in der Post

Ein Fraktionsmitarbeiter der Hamburger AfD soll den Holocaust relativiert haben. Die Partei streitet intern und spricht nach außen von Verleumdung.

Die interne Post der AfD ist nicht unbedingt appetitlich, aber doch interessant Foto: Daniel Naupold/dpa

Hamburg taz | Professionell und parlamentarisch, so will sich die AfD-Fraktion in der Bürgerschaft präsentieren. Die Abgeordneten Dirk Nockemann und Alexander Wolff bemühen sich um ein kompetentes Auftreten. Sie versuchen, ihre Positionen und Provokationen durch Kleine Anfragen zu untermauern, inszenieren ihre Reden bewusst. Im Vergleich zu den zerstrittenen AfD-Parlamentarier*innen in Hannover, Kiel und Bremen scheinen die Ham­bur­ge­r*in­nen geschlossen zu agieren. Das allerdings ist nicht mehr als ein Schein: Seit Wochen erreichen die taz immer wieder anonyme Briefe. Darin befinden sich interne Unterlagen, ausgedruckte Mails, Anfeindungen und Anschuldigungen gegen die Fraktion.

Dabei geht es vor allem um die Mitarbeiter der sechs Abgeordneten. Darunter ist Benjamin Mennerich: wissenschaftlicher Mitarbeiter der AfD-Fraktion und Bezirksabgeordneter in Mitte. Mennerich hat ehrgeizige Ziele. Er kandidiert auf Platz 5 der Landesliste zur Bundestagswahl. Dabei ist er offenbar auch innerhalb seiner Partei umstritten.

In den E-Mails von zwei AfD-Mitgliedern, die offenbar für eine parteiinterne Klärung über Antisemitismus in den eigenen Reihen gedacht waren, erheben die Verfasser gegen Mennerich schwere Vorwürfe: Der ehemaligen Berufssoldat der Luftlandeaufklärungskompanie 310 aus der Fallschirmjägerkaserne Seedorf soll mehrfach angezweifelt haben, „ob der Holocaust jemals stattgefunden habe“. Außerdem soll er gesagt haben, dass er keine Problemen damit hätte, wenn „die Geschichte“ angezweifelt und „die Beweise für das Geschehen einfach als nichtig erklärt“ würden.

Auch antisemitische Alltagstipps soll er parat gehabt haben: Mit dem Klopfen auf den Tisch vor dem Trinken solle sichergestellt werden, dass „kein Jude mit am Tisch säße“. Außerdem steht in den Schreiben, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) seine Karriere bei der Bundeswehr wegen „rechtsextremer/verfassungsfeindlicher Tendenzen“ beendet habe.

Doch stimmen all diese Anschuldigen? Von außen ist es schwierig, solche Behauptungen aus dem Innenleben einer Partei zu überprüfen. Eine Nachfrage bei der Pressestelle der Kaserne brachte am Freitag kein Licht ins Dunkel. Der Name Mennerich weckte bei dem Pressesprecher auf Anhieb keine Erinnerung.

An der Presse kein Interesse

Die AfD-Fraktion weist die Anschuldigungen von sich. Pressesprecher Robert Offermann teilt „im Namen der Fraktion“ mit: „Diese Vorwürfe sind falsch, verleumderisch und grob ehrabschneidend.“ Tatsächlich sei Mennerich aus dem aktiven Dienst der Bundeswehr „ausschließlich aufgrund seines regulären Dienstzeitendes entlassen“ worden. Hinter den Anschuldigungen stecke „ein intriganter Personenkreis“.

Die beiden Mitglieder, die die Schreiben an die Fraktionsführung und den Fraktionsgeschäftsführer verfasst haben, reagieren auf Anfragen der taz nicht. Das ist wenig überraschend: Einer von ihnen hatte im vergangenen Jahr bereits in einer E-Mail an Nockemann und Wolf, die der taz ebenfalls vorliegt, geschrieben: „Das dies an die Medien kommt, daran habe ich kein Interesse. Es wird von mir auch keine Information an AfD-Watch Hamburg lanciert werden. Wer Letztere mit Information füttert, z.B. in dem er Mitarbeiter denunziert, der verkauft auch die eigenen Eltern an den Teufel.“

Doch es könnte einen weiteren Grund für das Schweigen der beiden AfD-Mitglieder geben. Kürzlich erreichten die taz erneut interne Hinweise. In dem Schreiben heißt es, dass die beiden Zeugen „von der Fraktion massiv unter Druck gesetzt werden“. Dem Fraktionsvorsitzenden Nockemann wird vorgeworfen, nicht zu handeln.

Das Schweigen der Informanten

Mehr noch, der Geschäftsführer Thorsten Prenzler habe „die Fraktion voll im Griff“, würde alle Mitarbeiter, die er für seinen Machterhalt benötige, schützen – „auch Rechtsex­treme, die den Holocaust leugnen und IB-Bezüge haben“. Mit IB ist die rechtsextreme Identitäre Bewegung gemeint.

Mennerich, der bei der Kundgebungsreihe „Merkel muss weg“ mit auflief, über die der Verfassungsschutz sagte, die Organisatoren würden sich nicht einmal mehr darum bemühen zu verschleiern, dass die Anmelder Rechtsextremisten sind, ist nicht der ersten Fraktionsmitarbeiter, der parteiintern angegangen wird.

Anfang Januar wurde bekannt, dass die AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Olga Petersen Anzeige gegen Prenzler eingereicht hat. Sie hält ihm vor, anders als dieser behauptet, den akademischen Grad Magister Artium gar nicht erreicht zu haben. In einem anonymen Schreiben an die taz und andere Redaktionen behaupten die Ver­fas­se­r*in­nen zudem, dass „Urkundenfälschung und Betrug in mehreren Fällen“ im Raum stünden. Die Fraktion stellte sich vor Prenzler: Die Vorwürfe seien ebenfalls falsch und grob ehrabschneidend.

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