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Verschwurbelte Cancel Culture

Flensburger Uni-Präsident will kein Podium für Hanna Poddig

Junge Liberale forderten, die „bekennende Extremistin“ auszuladen

Wir reden miteinander – nein, tun wir nicht – na gut, aber ohne Öffentlichkeit – dann lieber nicht: So in etwa verlief die Woche an der Flensburger Europa-Universität, die damit einen hübschen Fall von Cancel Culture produziert hat.

„Zwischen Radikalität und Aushandlung“ lautete der Titel einer virtuellen Podiumsdiskussion, die Studierende geplant hatten. Es sollte um Klimagerechtigkeit und Utopien gehen. Mitdiskutieren sollte – neben der grünen Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré und einer Vertreterin von Fridays for Future – die Aktivistin und Autorin Hanna Poddig. Die nimmt zurzeit in Flensburg an einer Baumbesetzung teil, um die Rodung des Bahnhofswaldes für einen geplanten Hotelneubau zu verhindern.

Hoppla, Bäume besetzen ist doch voll illegal! Und dann wurden neulich einige Autos aus dem Fuhrpark des Hotelinvestors bemalt, und Hanna Poddig ließ durchblicken, dass sie das nicht total daneben fand. So geht’s gar nicht, befanden die Liberale Hochschulgruppe, der RCDS und die Jungen Liberalen. Sie forderten von Unipräsident Werner Reinhart, die „bekennende Extremistin“ von sämtlichen Uni-Podien zu verbannen.

Reinhart reagierte mit einer verschwurbelten Erklärung voller „gleichwohl“ und „zugleich aber“. In Kurzform: Klar darf und muss sich die Wissenschaft mit allen Meinungen auseinandersetzen, aber „solchen Positionen auf einem öffentlichen Podium Gehör zu verschaffen“, wolle die Universität „nicht riskieren“.

Sein Vorschlag lautete, die Diskussion in einem geschlossenen Kolloquium abzuhalten. Touré zog daraufhin ihre Teilnahme zurück, weil sie eine Debatte ohne Publikum „nicht zielführend“ fand. Kurz darauf sagten die Studierenden die Veranstaltung ganz ab. Das fand Präsident Reinhart dann doch „bedauerlich“. Lob für die Entscheidung gab es dagegen von Uni-Gruppen, die Reinhart in einem offenen Brief vorwarfen, ein „fatales Zeichen“ gesendet zu haben. Der Studiengang plant nun, die Podiumsdebatte nachzuholen. Esther Geißlinger

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