Erich Rathfelder über den Wahlsieg linker Reformer im Kosovo: Albin Kurtis zweiter Anlauf
Trotz Kälte und Corona hat die kosovarische Bevölkerung bei gestiegener Wahlbeteiligung der Bewegung „Selbstbestimmung“ (Vetëvendosje) einen unerwarteten Sieg beschert. Ungeachtet der Diffamierungskampagne durch die Medien der geschlagenen Altparteien wird die Reformregierung Albin Kurti und Vjosa Osmani an die Macht zurückkehren.
Der als Kommunist, Nationalist oder Islamist verunglimpfte linke Reformpolitiker Albin Kurti musste bislang einiges aushalten. Es waren ja nicht nur die korrupten innenpolitischen Gegner, die Kurti zum Teufel wünschten, auch die internationale Gemeinschaft unter Einschluss der Europäischen Union war und ist Kurti gegenüber höchst misstrauisch. Die US-Regierung unter Donald Trump zog vor einem Jahr sogar die Fäden, um die erste Regierung Kurti/Osmani nach nur wenigen Wochen zu stürzen.
Der Sieg von Vetëvendosje bedeutet gleichzeitig die vernichtende Niederlage der Generation der ehemaligen Kämpfer der Befreiungsfront UÇK, die mithilfe der Nato den Krieg gegen die serbische Herrschaft 1996 bis 1999 gewonnen und Kosovo in die Unabhängigkeit geführt hatte. Viele in dieser Generation galten als Volkshelden. Doch diese Legitimation haben sie verspielt. Denn zu viele nutzten den neuen Staat für ihre persönliche Bereicherung und versäumten es, der Gesellschaft eine Zukunftsperspektive zu geben.
Vernichtend geschlagen wurde auch die einstmals stolze Partei Demokratische Liga (LDK), weil die Altherrenriege ihre Spitzenkandidatin Vjosa Osmani aus der Partei ekelte. Weil Osmani sich Vetëvendosje anschloss, trug sie wesentlich zum deutlichen Sieg der Reformer bei. Die Hälfte der LDK-Wähler folgten ihr. Den Sieg verdanken sie der Jugend, den modernen, urbanen Mittelschichten, aber auch vielen ins Elend gestürzten Älteren.
Offen ist noch, ob der Wahlsieg mit knapp 50 Prozent zu einer Mehrheit im Parlament führt. Kurti und Osmani wollen keine Kompromisse eingehen. Sie haben den Aufbau eines funktionierenden Staates versprochen. Ihre WählerInnen hoffen darauf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen