: Einfamilienhäuser sorgen für Aufregung
Konservative und Liberale wettern mal wieder gegen die angebliche Verbotspartei Bündnis 90/Die Grünen. Das Problem ist nur: Jene will Einfamilienhäuser gar nicht verbieten
Von Ulrich Schulte
Ein Interview von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat für Aufregung bei Union, FDP und AfD gesorgt. „Okay, wir haben verstanden: Dieser familienfeindliche Vorschlag ist nun auch im Herzen der Bundes-Grünen angekommen“, schrieb CDU-Generalsekretär mit Blick auf das Gespräch auf Twitter. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte das Interview mit der Überschrift „Wollen die Grünen Einfamilienhäuser verbieten, Herr Hofreiter?“ über den Kurznachrichtendienst verbreitet.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte zu Hofreiters Äußerungen: „Was mehr grüne Politik für unser Land heißt: Mehr Verbote, mehr Gebote, weniger Freiheit.“ Auch der stellvertretende Generalsekretär der CSU, Florian Hahn, äußerte scharfe Kritik. „Nachdem sie es in Hamburg bereits durchgeboxt haben, wollen die Grünen nun auch bundesweit Einfamilienhäuser verbieten.“ Sie könnten es einfach nicht sein lassen, den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben hätten. AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch unterstellte den Grünen „Enteignungsphantasien“. Auch die Bild-Zeitung veröffentlichte einen Text mit der Überschrift: „Grüne wollen neue Einfamilien-Häuser verbieten“.
Das Problem war nur: Die Grünen wollen Einfamilienhäuser gar nicht verbieten, schon gar nicht enteignen. Die Vorwürfe von Mitte-rechts bis ganz Rechtsaußen kamen ohne Beleg daher. Hintergrund: In Hamburg-Nord hatte ein grüner Bezirksamtsleiter keine neuen Einfamilienhäuser im Bebauungsplan mehr ausgewiesen. Er begründete das mit knappen Flächen und damit, BürgerInnen bezahlbare Geschosswohnungen anbieten zu wollen. Hofreiter verteidigte im Spiegel die Entscheidungshoheit der Kommunen: „Dass Kommunen entscheiden, was bei ihnen sinnvoll ist, ist jahrzehntelange Praxis in unserem Land und verantwortungsvolle Politik.“
Gleichzeitig betonte er aber: „Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten.“ Jene könnten sehr verschieden aussehen: Einfamilienhaus, Reihenhaus, Mehrfamilienhaus, Mietshaus. „Wo was steht, entscheidet allerdings nicht der Einzelne, sondern die Kommune vor Ort.“ Außerdem verteidigte er Möglichkeiten von Kommunen zu enteignen. „Ich finde es richtig, dass die Gemeinde im Notfall auch enteignen darf, wenn Besitzverhältnisse unklar sind oder sich Erbengemeinschaften streiten und deshalb ein Dorfkern verödet oder Wohnraum nicht geschaffen werden kann.“
Der Spiegel hatte das Interview zunächst mit einem irreführenden Teaser veröffentlicht – dies aber später korrigiert. Auch die Grünen-Fraktion veröffentlichte eine Klarstellung: „Die Behauptung, Grüne wollten Einfamilienhäuser verbieten, ist falsch.“ In der Tat findet sich im Grünen-Programm nirgendwo ein Einfamilienhaus-Verbot. Große Sympathien hegt die Partei für diese Wohnform allerdings auch nicht. Auf einem Parteitag im Jahr 2019 haben die Grünen ihre Wohnungspolitik aktualisiert.
Für ein Einfamilienhaus seien etwa 200 Tonnen Kies und Sand nötig, heißt es in einem Beschluss. Solche Häuser verbrauchten „besonders viele Ressourcen, da im Vergleich zum Mehrfamilienhaus der Außenhautanteil sehr groß ist, zudem verschleißen sie extrem viel Bauland und Infrastruktur.“ Immer neue Einfamilienhausgebiete auf der grünen Wiese trieben den Flächenverbrauch an und führten vielerorts zu leerfallenden Ortskernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen