: Kleiner Versuch über einen großen Witzbold
Til Mettes neues Karikaturen-Buch ist sehr lustig – vor allem, wenn die Zeichnungen mit dunkelschwarzem Humor eine ausgeprägte und weit verbreitete Gedankenlosigkeit sezieren
Von Benno Schirrmeister
Jetzt ist also schon wieder ein Cartoon-Buch von Til Mette erschienen. Es ist sehr lustig. Manche würden sagen: Na, das ist doch selbstverständlich. Til Mettes Witzbilder sind immer komisch, aber das stimmt nicht. Ein Kollege hat gerade erst gesagt, als das zu rezensierende Buch „Politisch korrekte Cartoons für links-grün versiffte Gutmenschen“ Thema war: Ja, der Til werde gerade wieder besser. Und zwar, führte er zum Beweis an, neulich hätte er sogar einmal fast über eine Karikatur lachen müssen, „wobei, die war allerdings von jemand anderem“.
Das war so fies gar nicht gedacht, wie es klingt, hat er später gesagt. Aber es gab tatsächlich Phasen im Werk Til Mettes, die waren weniger auf den Punkt, sozusagen. Und auch diese leben noch irgendwie fort, wenn auch nur noch sehr selten in den Zeichnungen: Die männerwitzelnden Begleittexte des neuen Bandes jedoch – ein kurzes, aber total langatmiges Vorwort von Berufswitzbold Oliver Maria Schmitt, dessen Humor auch rheinische Karnevalist*innen nicht überfordern würde und ein kumpeliges Zwiegespräch mit Michael Streck, dem Karikaturen-Redakteur des Stern – sind, um es nett zu sagen, wenig erhellend.
In ihnen verrutscht die Weltklasse-Komik der meisten Cartoons in eine angestrengt-blödelnde Witzigkeit, weil man halt dringend für dieses humorige Gespräch eine Schlusspointe braucht. Also sagt Mette auf die Frage, wie die im Titel angesprochenen links versifften Gutmenschen auf dieses Buch reagieren, sie könnten mit ihm sogar wachsen, denn, wenn man sich zum Beispiel daraufstelle ... Oohhhh! Selbstredend kauft keiner ein Karikaturenbuch wegen der Beitexte – aber sollte man nicht Sorge tragen, deren abschreckende Wirkung klein zu halten? Gäbe es denn keine Lektor*innen beim Lappan Verlag Oldenburg, die sich trauen, ihrem Star-Autor zu sagen: „Holla, das ist schon ziemlich scheiße, das lassen wir lieber weg, sonst denken die Leute noch, sie kaufen sich Bilder einer Fips-Asmussen-Show?“
Wobei auch rumblödeln ja komisch sein kann. Wenn aus dem aktuellen Bedürfnis des Desinfizierens ein Disneyfizieren wird, erlaubt der flachwitzige Kalauer immerhin zeichnerisch schöne Tändeleien. Und geradezu genial ist das Sprachspiel in der Karikatur „Der Sexist“: Den üblichen Hass auf das wichtige sprachpolitische Anliegen einer Kommunikation, die Gleichberechtigung der Geschlechter ernst nimmt, teilt Mette nicht. Stattdessen macht er hier das Problem einer sich durch dieses Bemühen, durch diese Selbstanalyse hemmenden, vielleicht sogar zerstörenden Sprache kenntlich. Und zwar mit einer grammatikalisch sehr nachvollziehbaren Gliederung eines simplen Hauptsatzes.
Zu große Einigkeit ist wahrscheinlich keine gute Voraussetzung für Komik. Mindestens scheint Mette die Differenz zu brauchen, den Widerspruch, den er im Bild aufdecken kann: Selbstgewisser, linker Paternalismus – niemand könnte dessen Irrsinn witziger aufspießen als Til Mette, gerade weil er sich selbst links der Mitte verortet und ihm die Denkfiguren, nicht fremd sind. Wenn am Tresen ein schon leicht derangierter Mann mit Studienratpullunder eine kopftuchtragende Biertrinkerin mit mahnenden Rotbuchstaben fragt, ob ihr der Begriff kulturelle Aneignung eigentlich was sage, rührt das Bild an einen wunden Punkt.
Und herzallerbösest wird es, wenn ein aufgeklärtes Elternhaus der linksintellektuellen Tochter klar macht, dass ihr Vater ihre „Kritik an ihm als alter weißer Mann verstanden“ habe. Und der, nur um diese Einschätzung zu unterstreichen, darauf hinweist, jetzt eine „10er-Karte Sonnenstudio“ zu haben – um das eigene Weißsein zu überwinden. Hier könnte man zweifellos einwenden: aber, das ist doch ...! – und genau in dieser Art Vorbehalt wohnt die Komik von Til Mettes Bildern.
Deshalb sind auch seine Cartoons über Dinge eher fad, über die sich alle halbwegs vernünftigen Menschen einig sind, wie etwa Donald Trump: Der 45. Potus steht einem Maler Modell, der sitzt an einer Staffelei und malt einen Scheißhaufen, der die Form von Trumps Haarteil hat – das ist weder politisch brisant, noch hat es die Lust am Obszönen, wie sie Robert Crumb schon seit den 1980ern nutzte, um den Mann, der die USA vergewaltigt hat, analytisch schmerzhaft-tiefgründig und voller Ekel zeichnerisch zu erfassen. Erst in Crumbs rabiat-pornografischem Zugriff war es möglich, das Entsetzen und die Abscheu noch zu übersteigern, die Trump verursacht, dann tun Brech- oder Lachreiz ihr kathartisches Werk. So weit würde Til Mette nie gehen: Sex kommt zwar immer mal wieder vor in seinen Zeichnungen, ist aber nie expliziter, als es eine Vorabendserie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erlauben würde.
Sie brauchen auch nicht mehr: Sie zielen nicht auf konkrete Hass-Objekte, sondern sezieren in teils tiefster Schwärze eine ausgeprägte und weit verbreitete Gedankenlosigkeit. So ins Groteske übersteigert, wie sie in den Cartoons auftritt, wird man ihr nie begegnen. Jeden Tag indes kann man an sich selbst und in seiner Umwelt ihre Vorformen und Anfänge beobachten.
Am meisten Spaß macht das natürlich, wenn die raumgreifende Stupidität eine ist, die man selbst kennt und bekämpfen will. Niemand hat je den vollendeten Schwachsinn der Einzeltäter-Theorie lustiger eingefangen, die auf jedes rechtsradikale Verbrechen in diesem Lande angewandt wird – und sei es noch so Netzwerk induziert. Niemand in Deutschland hätte auch den aufgesetzten Charakter der Charlie-Hébdo-Betroffenheit – mit einem hübschen Mohammed-Karikaturen-Zitat übrigens – witziger aufgegangen.
Und unumstößlich fest steht, dass Til Mette den endgültigen zeichnerischen Kommentar zur Diskussion um die Streichung des Wortes „Rasse“ aus dem Grundgesetz geschaffen hat. Im Buch steht er auf Seite 108. Und er ist wirklich sehr, sehr komisch.
Til Mette: Politisch korrekte Cartoons für links-grün versiffte Gutmenschen, Lappan, Oldenburg 2021, 124 S., 16 Euro
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