Skandalisierte Kunstaktion in Istanbul: Kaaba mit Regenbogenflagge
Erdoğans AKP und die konservative Presse hetzen gegen eine Kunstausstellung an der Bosporus-Uni in Istanbul. Ein Plakat beleidige den Islam.
Der vordergründige Anlass für die Verhaftungen war eine kleine Kunstausstellung auf dem Rasen des Campus, wo auch ein Plakat gezeigt wurde, das den Hof der Großen Moschee von Mekka darstellt, in dessen Zentrum statt der heiligen Kaaba ein Bild der mythischen anatolischen Schlangenfrau montiert ist. An einer der oberen Ecken des Bildes ist eine kleine Regenbogenfahne eingeblockt, um zu zeigen, dass auch die LGBTI-Gemeinde dazugehört, wie der anonyme Künstler mitteilte.
Empfohlener externer Inhalt
Eigentlicher Anlass für die Verhaftungen ist der Versuch, die seit Wochen gegen ihren neuen Universitätsrektor Melih Bulu protestierenden Studenten einzuschüchtern. Seit Anfang Januar protestieren die Studenten und der größte Teil der Lehrkräfte der renommierten Universität dagegen, dass ihnen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein neuer Rektor aufgezwungen wurde, der gleichzeitig ein führender Politiker der regierenden AKP ist.
Die von der Kunstfakultät organisierte Ausstellung war Teil des Protestcamps auf dem Unigelände, das trotz massiver Repression seit Anfang Januar aufrechterhalten wird. Nachdem regierungsnahe Medien die Nachricht über ein angeblich blasphemisches Bild gebracht hatten, das noch dazu auf dem Boden gelegen haben soll, pumpten Regierungsmitglieder die Ausstellung auf dem Unigelände zu einem großen Skandal auf.
Innenminister Süleyman Soylu verkündete, gegen die „LGBTI-Perversen“, die solche Bilder herstellen und verbreiten, werde hart vorgegangen. Die von ihm auf den Campus geschickten Polizisten durchsuchten daher auch die Räume eines LGBTI-Clubs an der Bosporus-Universität.
Lehrende zeigen Rücken
Von der gezielten Übernahme der progressiven Universität durch die Regierungspartei AKP ist dagegen selbst bei der Oppositionspartei CHP kaum noch die Rede. Doch innerhalb der Universität hält der Widerstand gegen die Ernennung von Melih Bulu an. Bei seiner Antrittsrede drehten ihm die ProfessorInnen und DozentInnen der Uni demonstrativ den Rücken zu.
Bislang konnte noch kein einziges Gremium der Universität besetzt werden, weil sowohl Studierende wie Lehrende ihre Mitarbeit verweigern. Etliche Studenten anderer Universitäten haben sich mit den Studierenden der Bosporus-Universität solidarisiert. Die Antwort der Regierenden ist überall dieselbe: Polizei und Repression.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus