piwik no script img

Nazi-Richter am BundesarbeitsgerichtAhnengalerie mit braunen Flecken

Das Bundesarbeitsgericht wurde ab 1954 von Richtern aufgebaut, die dem NS-Regime dienten. Aufgearbeitet ist das immer noch nicht.

Bildergalerie zeigt frühere Richter im Bundesarbeitsgericht Erfurt Foto: Martin Schutt/dpa

Berlin taz | Wer das Bundesarbeitsgericht in Erfurt besucht, kann in einem Konferenzraum eine illustre Bildergalerie bewundern. Zu sehen sind dort mehr als ein Dutzend Leute, bei denen es – obwohl nie angeklagt, geschweige denn verurteilt – angemessen wäre, sie als Verbrecher oder Mörder zu bezeichnen. Etliche waren Mitglied der NSDAP, andere dienten sich als Laufburschen dem NS-Regime an.

Doch das erfährt man nicht bei der Betrachtung der Porträts. Da fehlt bei Namen wie Willy Martel oder Walter Schilgen jeglicher Hinweis, wann sie wo wen zum Tode verurteilt haben. Unerwähnt bleibt auch Georg Schröders Einsatz bei der „wirtschaftlichen Entjudung“ der Niederlande, also „Arisierung“ und Beschlagnahmung jüdischer Unternehmen und Vermögen. Um nur drei Beispiele zu nennen.

Kein Wort zur braunen Vergangenheit zahlreicher Abgebildeter. Stattdessen ist nur der Zeitraum ihrer Tätigkeit am Bundesarbeitsgericht sowie die jeweilige Amtsbezeichnung vermerkt. Und so wird es erstmal auch bleiben. Das geht jedenfalls aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der taz vorliegt.

Bei der Bildergalerie handele es sich um eine „von der Richterschaft selbst initiierte bildliche Dokumentation sämtlicher Richterinnen und Richter, die seit der Gründung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 1954 berufen worden sind“, schreibt die Bundesregierung. In der Darstellung komme „weder eine Wertung noch eine Ehrung zum Ausdruck“. Alles ganz neutral also. Genau das ist das Problem.

Mindestens 15 Nazis unter den Richtern

Wie die deutsche Nachkriegsjustiz ingesamt war auch das Bundesarbeitsgericht in seinen Anfangsjahrzehnten geprägt von Juristen, die als „NS-belastet“ eingestuft werden müssen.

In ihrer Antwort auf eine Große Anfrage der Linksfraktion räumte die Bundesregierung im Jahr 2011 ein, dass bei 15 Bundesarbeitsrichtern eine frühere NSDAP-Mitgliedschaft festgestellt wurde, beim Bundessozialgericht waren es sogar 42. Welche Auswirkungen hatte das auf die Rechtsprechung der beiden Gerichte? Das ist bis heute nicht wissenschaftlich erforscht.

Wie aus der jetzigen Regierungsantwort hervorgeht, kam es erst im Mai 2017 zu einem Treffen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit den beiden ihm unterstellten Gerichten, um mit diesen über das Thema der eigenen Vergangenheitsaufarbeitung zu sprechen.

Zwei Jahre später startete dann das Bundessozialgericht ein Forschungsprojekt zu seiner Gründungs- und Wirkungsgeschichte. Die Ergebnisse sollen 2022 vorliegen. Beim Bundesarbeitsgericht ist man hingegen immer noch nicht so weit: „Das Bundesarbeitsgericht beabsichtigt, ein eigenes Forschungsprojekt in Auftrag zu geben“, so die Regierung. 350.000 Euro will sie dafür bereitstellen.

Wenn die Ergebnisse des noch nicht gestarteten Projekts dann irgendwann vorliegen, werde das Bundesarbeitsgericht auch „prüfen, ob sich hinsichtlich der Bildgalerie Handlungsbedarf ergibt“, schreibt die schwarz-rote Bundesregierung.

Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, hat dafür kein Verständnis: „Es ist schon erstaunlich, dass es auch im Jahr 2021 erst Studien bedarf, damit in bundesdeutschen Ministerien oder Bundesgerichten Bilder von Nazis abgehängt oder zumindest kommentiert werden“, sagte er der taz.

Auf die Forschungsergebnisse über das Wirken der NS-belasteten Richter ist Korte gleichwohl gespannt. Schließlich habe doch „das Bundesarbeitsgericht wie ein Ersatzgesetzgeber das Arbeitsrecht der jungen Bundesrepublik, darunter das bis heute repressiv ausgelegte Streikrecht, maßgeblich geprägt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Solange wollemer mal nicht warten.

    Hans-Carl Nipperdey - z. B. -



    de.wikipedia.org/w...ans_Carl_Nipperdey



    Nach dem noch heute eine Straße am Landgericht Köln benannt ist!



    & nach dessen Lehrbücher eine Schar von Juristen post WK II Jura gelernt haben!



    & Willi Geiger - einer der schlimmsten Finger -



    de.wikipedia.org/w...i_Geiger_(Richter)



    “ Ab 1951 war er Präsident eines Senats. Von 1951 bis 1977 war er Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und damit zehn Jahre zugleich(!!!) an BGH und BVerfG. Durch die Freigabe der Protokolle des Bundeskabinetts stellte sich später heraus, dass er fortlaufend die Regierung Adenauer über die internen Entscheidungsprozesse in BGH und BVerfG informiert hatte…“



    & mein lieber Paddelfreund!;)) dazu



    kramerwf.de/Willi-Geiger.329.0.html



    & Friedrich Karl Kaul - der Entlarver -,



    de.wikipedia.org/w...riedrich_Karl_Kaul



    &



    www.spiegel.de/spi...nt/d-43160595.html



    “ Kaul am 23. November 1954, in der ersten Stunde der mündlichen Verhandlung, den dicken Kopf zurückgeworfen, die Augen seherisch in der Ferne: "Namens und in Vollmacht der KPD erkläre ich die Ablehnung des Herrn Vorsitzenden, des Herrn-Bundesverfassungsgerichtspräsidenten, wegen Besorgnis der Befangenheit. Mir liegt ein Auszug der Personalakten des Herrn Präsidenten Wintrich vor ..."

    WINTRICH (unterbrechend): ... Herr Rechtsanwalt, ist Ihnen bekannt, daß über alle diese Vorgänge ein eingehendes Entnazifizierungsverfahren stattgefunden hat?

    KAUL: Ich habe, Herr Präsident, an Ihrem Denazifizierungsverfahren nicht teilgenommen. Das tut auch nichts zur Sache. Denn hier ist Ihre Befangenheit der KPD gegenüber zu untersuchen. Also ... der Auszug bezieht sich auf den im Jahre 1940, also im zweiten Jahre des hitlerischen Raubkrieges von höchster Stelle gemachten Vorschlag, Herrn Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Wintrich, der damals Oberamtsrichter in Ebersberg bei München war, zum Oberstaatsanwalt zu befördern ...

    • @Lowandorder:

      “… WINTRICH (unterbrechend): Bitte sehr, zum Oberlandesgerichtsrat!

      KAUL: In den Akten des damaligen Reichsjustizministeriums steht Oberstaatsanwalt!

      WINTRICH: Das ist falsch!

      KAUL: Wenn Sie noch zu höheren Ämtern berufen waren, ich will Ihre Qualifikation nicht verkleinern. Also aus den Personalakten ergibt sich der Vorschlag zur Beförderung zum Oberstaatsanwalt. Dieser Vorschlag ist eingehend begründet. Am Schluß dieser Begründung heißt es wörtlich: 'An seiner (Wintrichs) nationalsozialistischen Gesinnung besteht kein Zweifel. Auch die Gauleitung der NSDAP hat gegen seine politische Zuverlässigkeit keine Bedenken' ...

      Nun zeigte der Jurist Kaul, was er leisten konnte - als Schauspieler. Die Fledermausärmel des Anwaltsmantels flatterten. Er hatte sich zum Publikum gewendet, die Robe offen, die Spätherbstsonne auf der gebräunten Stirn, das Gesicht, jetzt im Schatten, übermäßig breit, nur noch Hornbrille und Mund:

      "Der Faschismus hatte und hat als historisch letzte Bastion und Kampfformation des Kapitalismus gegenüber der unaufhaltsam heraufziehenden Menschheitsepoche der sozialistischen Gesellschaft und ihrer Repräsentanten, der Arbeiterklasse, nur eine einzige Aufgabe: den Kampf gegen den Kommunismus. Dieser Kampf gehörte deswegen selbstverständlich zu den Aufgaben aller Organe des nationalsozialistischen Staates. Für die Staatsanwaltschaften aber bildete dieser Kampf gegen den Kommunismus, der mit einer Erbarmungslosigkeit sondergleichen geführt wurde, nahezu die einzige Aufgabe. Oberstaatsanwalt im Nazireich und bedingungsloser Kämpfer für die Vernichtung der KPD waren zweifellos identische Begriffe ... "

      Der Redner holte Luft. Dann, beherrscht, fast leise: "Hiernach ist zu entscheiden ... ob nicht zumindest die Besorgnis seiner (Wintrichs) Befangenheit der KPD gegenüber aufgrund dieser Zusammenhänge mehr als gerechtfertigt ist."

      Der “Rest“ - ist spannend genug & empfehle -



      de.wikipedia.org/wiki/Braunbuch



      Das allermeiste stimmt - unfaßbar -