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Weiteres Vorgehen an den SchulenLöcher im Lockdown

Während Bund und Länder den Schul-Lockdown beschlossen haben, mehrt sich die Kritik an den Schulschließungen und die Ausnahmen nehmen zu.

Unklar, wann auf ihnen wieder Schüler*innen sitzen: gestapelte Stühle in einer Realschule Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Hamburg taz | Die Schulen bleiben zu – im Norden aber mit Ausnahmen. Coronabedingt werden bis zum Halbjahreswechsel Ende Januar nur noch wenige Kinder ihre Schule von innen sehen. Nach dem Beschluss von Bund und Ländern bleiben die Schulschließungen so lange bestehen. Für die meisten Schüler*innen gibt es Fernunterricht.

Ab Anfang Februar sollen zunächst die Schulklassen 1 bis 6 zum Präsenzunterricht zurückkehren – eine deutliche Reduzierung der Infektionen vorausgesetzt. Unter den gleichen Voraussetzungen könnten dann auch die übrigen Jahrgangsstufen zu einem Wechselmodell zurückkehren. Und für die Abschlussklassen darf es sowieso Sonderregelungen geben.

Da die Umsetzung der bundesweiten Regeln Ländersache ist, liebäugeln einige Landesregierungen mit weiteren Ausnahmeregeln. Einen „Sonderweg“ etwa geht Bremen, das die Schulen geöffnet hält und den Schüler*innen freistellt, freiwillig am Präsenzunterricht teilzunehmen. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hatte sich am Dienstag für eine schrittweise Rückkehr zum regulären Unterricht eingesetzt – zumindest für Kinder der Klassenstufen 1 bis 6. Um die Öffnung der Schulen weiter gewährleisten zu können, bietet die bremische Schulbehörde den 73.000 Schüler*innen und 11.200 Schulbeschäftigten kostenlose Coronatests an.

Hamburg schraubt Niveau der Abschlüsse herunter

In Hamburg bleiben die Schulen ebenfalls noch offen, auch wenn ihr Besuch unerwünscht ist. Die Eltern sind aufgefordert, ihre Kinder – wann immer möglich – zu Hause zu betreuen und sie nur in die Schule zu schicken, wenn dies zwingend notwendig ist. Vergangenen Dienstag nahmen laut Schulbehörde rund 20 Prozent der Grundschüler*innen, 6,43 Prozent der Lernenden in Stadtteilschulen, 14,37 Prozent in Sonderschulen und rund drei Prozent in Gymnasien am Präsenzunterricht teil.

Hamburg hatte in der Bund-Länder-Schalte dafür plädiert, die Schulen so weit wie möglich offen zu halten, da nicht erwiesen sei, dass der Schulbetrieb wesentlich zum Infektionsgeschehen beitrage. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kann sich dabei auf eine aktuelle Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie berufen, nach der sich vor allem jüngere Kinder nur selten mit dem Virus infizieren und dieses auch seltener weitergeben als ältere Kinder. Schulkinder seien insgesamt „keine Treiber der Pandemie“, Schulschließungen dürften „nur das letzte Mittel“ sein.

Weil „nicht alle Kinder zu Hause in gleicher Qualität lernen können wie in der Schule“, kündigte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) an, die Abschlussprüfungen vom einfachen Schulabschluss bis hin zum Abitur „der Situation anzupassen“, das Prüfungsniveau also abzusenken.

Abiturklassen werden im Wechselmodell unterrichtet

In Niedersachsen werde es zunächst bis Ende Januar an weiterführenden Schulen keinen Präsenzunterricht, sondern reinen Fernunterricht geben, teilte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstagabend in Hannover mit. Die Niedersächsische Schüler*in­nenkammer hält die neuen Regelungen für unangemessen. „Wir gehen mit dem Homeschooling das Risiko ein, Schüler langfristig zu verlieren und Rückstände unaufholbar zu vergrößern“, befürchtet der Kammervorsitzende Florian Reetz.

Ausgenommen sind davon aber die Klassen, die zu Schulabschlüssen führen, sie sollen im Wechselmodell unterrichtet werden, was die Schüler*innenkammer für einen „guten Kompromiss“ hält. Für die Grundschulen gibt es in der ersten Woche ab dem 11. Januar ebenfalls Fernunterricht, eine Woche später dann Unterricht im Wechselmodell mit geteilten Klassen.

Ähnlich ist es in Schleswig-Holstein, dort aber gibt nach den Weihnachtsferien an allen Schulen, auch den Berufsschulen, Distanzunterricht. Für Schüler*innen der Jahrgangsstufen 1 bis 6 gibt es eine Notbetreuung. Die Abschlussjahrgänge sollen, anders als in Niedersachsen, zwar nicht im Wechselmodell unterrichtet werden, dafür aber ab kommenden Montag spezielle Lern- und Vorbereitungsangebote in den Schulen bekommen.

Anders hält es Mecklenburg-Vorpommern: Schüler der Klassen 1 bis 6 dürfen zur Schule kommen, wenn sie zu Hause nicht betreut werden können. Ab Klasse 7 bleibt es beim Homeschooling. Für Schüler*innen in Abschlussklassen ist eine Ausnahme vorgesehen: Sie sollen ab kommender Woche zurück an die Schulen kommen – „damit sich die Jugendlichen auf die Prüfungen vorbereiten können“, so Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD).

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2 Kommentare

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  • "Schulkinder seien insgesamt „keine Treiber der Pandemie“"



    Wie kann es sein, dass ständig untersucht und erklärt wird wo kein besonderes Infektionsrisiko bestünde (Schulen, Kneipen, Restaurants, Theater, Betriebe, Hotels, Kirchen, ...) und dass es deshalb unverhältnismäßig und unzumutbar sei Verbote auszusprechen und Grundrechte (Bildung, Bewegungsfreiheit, Religionsausübung, Profit) einzuschränken, aber wir trotzdem mitten in einer Pandemie mit inzwischen über 1000 Toten am Tag stecken? Mit diesem ständigen Gefeilsche darum die jeweils eigenen Betroffenheit durch die Maßnahmen zu minimieren wird es nicht gelingen das Infektionsgeschehen wieder in den Griff zu bekommen weil dieses längst überall passiert. Deshalb braucht es endlich entschlossene Maßnahmen in der Breite und die Konsequente Schließung der Schulen kann davon nur ein Baustein sein, andernfalls ist absehbar, dass die Zahlen in Folge der neuen B.1.1.7-Variante nur noch weiter steigen werden.



    ...

    • @Ingo Bernable:

      ...



      "Schulschließungen dürften „nur das letzte Mittel“ sein." ist doch in mehrfacher Hinsicht absurd. Einerseits weil problemlos Maßnahmen denkbar sind die sehr viel drastischer sind, etwa die Durchsetzung von Quarantäne per Internierung [1], andererseits weil die worst-case Folgen der Schulschließungen, effektiv die Notwendigkeit das Schuljahr zu wiederholen, in Relation zum Sterben durch die Pandemie doch nicht allzu dramatisch sind. Die Corona-Pandemie ist bereits jetzt die mit Abstand größte Katastrophe der deutschen Nachkrigesgeschichte, aber statt angemessen darauf zu reagieren wird alles daran gesetzt den "Normalbetrieb" aufrecht zu erhalten, auch wenn das mittelbar mit Toten bezahlt wird. Bei anderen Katastrophen etwa dem Zugunglück von Eschede waren Entsetzten und Betroffenheit groß, derzeit erleben wir jeden Tag zehn Mal Eschede, aber die täglichen Todesfälle sind nur noch eine Zahl die man ähnlich emotionslos zur Kenntnis nimmt wie die Wettervorhersage und hinter der das Leid der Angehörigen ebenso verschwindet wie das jener die sich von der akuten Infektion nie wieder vollständig erholen werden.



      [1] taz.de/Internierun...enschutz/!5693835/