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Wie grün gehen Dreharbeiten?

Die Hamburgerin Birgit Heidsiek gibt mit „Green Film Shooting“ das weltweit einzige Fachmagazin für nachhaltigere Film- und TV-Produktionen heraus

Von Wilfried Hippen

200 Fahrzeuge werden zu Schrott in einem Film des autoverliebten Action-Franchise „The Fast and the Furious“. 200! Birgit Heidsiek kann darüber nur den Kopf schütteln: Die Hamburger Journalistin setzt sich dafür ein, dass Filmproduktionen möglichst umweltfreundlich und nachhaltig durchgeführt werden. Entstanden ist die erwähnte Blechorgie in den USA, Hollywood produziert, ihre Investitionen in solche Produkte konnten jedoch auch deutsche Geldgeber*innen lange von der Steuer absetzen.

Über den extremen Einzelfall hinaus wird bei Dreharbeiten grundsätzlich nur wenig Rücksicht auf die Umwelt genommen. Eine „enorme Verschwendung von Ressourcen“, so Heidsiek, sei die Regel: Am Set ist Zeit Geld und so wird kaum darauf geachtet, was alles nach dem Gebrauch weggeworfen wird, auf welche Art die genutzte Energie entsteht, oder ob beim Catering am Fleisch gespart werden könnte.

Langsamer Wandel

Aber langsam ändert sich auch hier das Bewusstsein. Wurde Heidsiek bei Erscheinen der ersten Ausgabe ihres Magazins Green Film Shooting noch belächelt, ist ihr Einfluss gewachsen: Das Heft liegt auf Festivals wie der Berlinale aus, wird europaweit vertrieben. Heidsiek richtet Diskussionen aus auf internationalen Branchen­events wie den Filmfestspielen in Cannes und wird immer öfter eingeladen, selbst Vorträge zu halten und Workshops zu veranstalten.

Birgit Heidsiek, Enkeltochter eines Cuxhavener Zeitungsverlegers und Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten, hat in Hamburg Politik und Journalismus studiert. Ihre Diplomarbeit hatte die europäische Filmförderung zum Thema. Dadurch wurde Dieter Kosslick auf sie aufmerksam, damals Geschäftsführer des Hamburger Filmbüros. Er ließ sie an einer Studie für die EU-Kulturkommission mitarbeiten. Das Ergebnis war die erste Vorlage zum europäischen Förderprogramm Media. Als Hamburg im Jahr 2011 europäische Umwelthauptstadt wurde, entwickelte die gemeinsame Filmförderanstalt für Hamburg und Schleswig-Holstein den „Grünen Drehpass“ für ein ökologisches und nachhaltiges Umdenken in der Filmbranche.

Heidsiek, die sich selbst als ein Kind der Ökobewegung der 1970er-Jahre bezeichnet, „mit selbstgebackenem Brot und selbstgestricktem Outfit“, erkannte eine Möglichkeit, ihre Liebe für das Kino mit ihrem Engagement für die Umwelt zu verbinden. Doch an grünem Gedankengut war in der Filmbranche noch kaum jemand interessiert. Umso geschickter musste sie das Thema also verkaufen, und so erklärt sich der geradezu glamouröse Hochglanzstil ihres Magazins: Seit 2013 erscheint Green Film Shooting in Kooperation mit der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein einmal im Jahr, Auflage: 8.000 Exemplare.

Dass grüneres Filmemachen auf allen Ebenen und in allen Gewerken einer Produktion möglich ist, davon ist Heidsiek überzeugt: Schon beim Verfassen des Drehbuchs lasse sich etwa hinterfragen, wie nötig Drehortwechsel und also aufwendige Reisen sind. Beim Make-up könnten Kosmetika ohne Mikroplastik verwendet werden, Requisiten und Kostüme ließen sich auch ausleihen, statt immer zu kaufen und dann wegzuwerfen. Man könne Recyclingpapier benutzen und Scheinwerfer in den Pausen abschalten. Viele Maßnahmen wirken marginal, sicher – aber „es kommt viel zusammen“.

Für das allmählich wachsende Problembewusstsein seitens Produzent*innen und Regisseur*innen macht Heidsiek vor alle die „Fridays for Future“-Bewegung verantwortlich. Der Hamburger Filmemacher Lars Jessen („Dorfpunks“, „Fraktus“) engagiert zum Beispiel keine Schauspieler*innen mehr, die darauf bestehen, am Wochenende nach Hause zu fliegen. Längere Zugfahrten hält er auch Hauptdarsteller*innen für zumutbar.

Richtig ändern wird sich nach Heidsieks Einschätzung aber erst etwas, wenn es einen direkten finanziellen Anreiz dafür gibt, Filmproduktionen umweltfreundlicher zu organisieren. Belgien sei derzeit das einzige Land, in dem ein grünes Drehkonzept eine Grundbedingung sei für eine staatliche Förderung. In Deutschland steht im aktuellen Referentenentwurf für ein neues Filmfördergesetz immerhin, dass diese Förderung die Erfüllung ökologischer Bedingungen voraussetzt.

Heidsiek sieht dringenden Änderungsbedarf, aber insbesondere bezüglich der regionalen Förderlandschaft und nennt den hierzulande üblichen „Fördertourismus“ eine „ökologische Katastrophe“: Da die meisten deutschen Produktionen von mehreren Förderanstalten finanziert werden – nach dem Grundsatz: „Wo das Geld herkommt, da wird auch gedreht“ –, reisen viele Teams im Land umher, obwohl so viele Dreh­orte gar nicht nötig wären.

Richtig ändern werde sich erst etwas, wenn es einen direkten finanziellen Anreiz dafür gibt, Produktionen umweltfreundlicher zu gestalten

Klimaneutrale Studios

Weiter in der Entwicklung sind einige Filmstudios, die nicht von Projekt zu Projekt planen, sondern längerfristig. So hat etwa die Bavaria auf Klimaneutralität umgerüstet und bezieht Strom sowie Wärme aus Geothermie, Solarenergie und Wasserkraft. Auch Studio Hamburg setzt auf erneuerbare Energie, nutzt Ökostrom. Schon 2012 stellte man hier die Produktion der TV-Serien „Großstadtrevier“ und „Notruf Hafenkante“ auf nachhaltigere Methoden um: Bei Außendrehs wurde etwa eine neuartige Großbatterie getestet, um einen Dieselgenerator einzusparen.

Nicht nur die Filmproduktion, auch der Kinobetrieb lässt sich mehr oder weniger ökologisch gestalten. So hat Birgit Heidsiek „Das Grüne Kinohandbuch“ geschrieben, das inzwischen in vielen Kinobetrieben stehen dürfte. Als Grünes-Kino-Beauftragte der Filmförderungsanstalt FFA ist sie viel herumgekommen und kann so anhand konkreter Beispiele Tipps geben für einen umweltfreundlicheren Betrieb.

Energieeffizienz ist dabei das wichtigste Thema: Weil Kosten für Strom, Heizung und Kühlung bei Kinos hoch sind, rechnet sich etwa eine bessere Dämmung rasch für die Betreiber*innen. So hatte zum Beispiel das „Cinecitta“ in Nürnberg, mit 23 Sälen das größte Kino Deutschlands, eine jährliche Stromrechnung von über 600.000 Euro. Nach dem Einbau von zwei Blockheizkraftwerken, die nebenbei Wärme erzeugen, konnten diese Kosten etwa halbiert werden – die Investition von 1,3 Millionen Euro hat sich innerhalb weniger Jahre amortisiert.

Die derzeitige Coronakrise stellt für Heidsiek einen kurzfristigen, aber großen Rückschritt dar: „Es wird wieder viel mehr Abfall produziert“, sagt sie: Einweggeschirr beim Catering etwa. „Klassische Maßnahmen der grünen Produktion wie Fahrgemeinschaften und die Wiederverwendung von Gegenständen sind nur schwierig umzusetzen.“ Andererseits biete die Krise eine Chance für langfristigen ökologischen Umbau: Indem sie „vielen Menschen zu denken gibt, und sie verstehen, dass wir nicht unendlich auf diesem Planeten mit den Ressourcen und der Umwelt so umgehen können, wie wir wollen, sondern dass es Kräfte gibt, die viel größer sind als wir.“

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