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Entschädigung für ElternAppelle, aber kein Urlaub

Kitas und Schulen bitten Eltern dringend, ihre Kinder selbst zu betreuen. Doch die Entschädigung für einen Verdienstausfall fällt mager aus.

Die Zeit mit Papa ist toll, nur Geld verdient er damit leider nicht Foto: Kniel Synnatzschke/imago

Berlin taz | Es ist die Zeit der Appelle: Kitas haben im Lockdown vorerst bis zum 10. Januar zwar nicht unbedingt geschlossen. Aber sie bitten die Eltern ganz dringend, ihren Nachwuchs möglichst nicht in die Kita zu bringen, um dort die Infektionsgefahr durch möglichst kleine Gruppen gering zu halten. „Den Eltern wird schon auch ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn sie ihr Kind nicht zu Hause betreuen können“, sagt eine Mutter in Nordrhein-Westfalen.

NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) appelliert in einem offenen Brief an die Eltern: „Bringen Sie Ihre Kinder nur dann in die Betreuung, wenn es unbedingt nötig ist.“ Ähnliche Aufrufe gibt es in anderen Bundesländern.

Der von der Ministerpräsidentenkonferenz am Sonntag angekündigte zusätzliche „bezahlte Urlaub“ für Eltern, die in der Coronapandemie ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, kommt dagegen nicht. Stattdessen gibt es nur eine Ergänzung der Entschädigungsregelungen im Infektionsschutzgesetz, die einen Lohnersatz von 67 Prozent garantiert, wenn Eltern wegen der Kinderbetreuung Verdienstausfälle haben.

Die Ergänzung stellt klar, dass Eltern künftig einen Anspruch auf Entschädigung haben, wenn aus Gründen des Infektionsschutzes „Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wird“. So steht es im Kabinettsentwurf.

Rüge von der Linken

Inwieweit diese Entschädigung auch für Kitas gilt, die mit Appellen ihre Gruppen ganz klein halten wollen, geht aus dem Wortlaut des Entwurfs nicht hervor. Für die praktische Umsetzung der Entschädigungsregelungen seien die einzelnen Bundesländer zuständig, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Die Vorhaben befänden sich in der „aktuellen Abstimmung“ zwischen dem Bund und den Ländern, so ein Sprecher des NRW-Sozialministeriums.

Die Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Nettoentgelts, monatlich maximal 2.016 Euro, gilt für den Verdienstausfall durch die häusliche Betreuung von Kindern bis unter 12 Jahren. Ein Vorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), den betroffenen Eltern mehr bezahlten Urlaub, also vollen Lohnausgleich, zu gewähren, wurde von der Union abgelehnt. Diesen hätten allein die Arbeitgeber finanzieren müssen, sagte der sozialpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Stephan Stracke.

„Die Einigung der Bundesregierung ist nur eine Minimallösung und für Familien mit geringem Einkommen unzureichend“, rügte die familienpolitische Sprecherin der Linken, Katrin Werner. Ekin Deligöz, familienpolitische Sprecherin der Grünen, bemängelte, dass es im Entschädigungsgesetz keine klar formulierte Regelung zum Ausschluss von Homeoffice als vermeintliche Betreuungsalternative gebe.

Entschädigung bisher wenig genutzt

Wie berichtet, erklären aber Arbeitsrechtsexperten wie Alexander Dubrovskij aus Berlin, dass der Anspruch auf Entschädigung auch gilt, wenn man zwar Homeoffice machen, aber wegen der Kinderbetreuung trotzdem keine Arbeitsleistung erbringen kann.

Die Arbeitgeber zahlen den Lohnersatz von 67 Prozent an ihre Beschäftigten aus und holen sich das Geld dann vom Staat zurück. Selbstständige stellen den Antrag direkt bei den Behörden. Wenn man wegen der Kinder die Arbeitszeit reduziert und daher weniger Stunden bezahlt bekommt, kann man für den stundenweisen Verdienstausfall auch den Ersatz von 67 Prozent als Entschädigung beanspruchen.

Bisher gab es schon eine Entschädigungsregelung, die aber voraussetzte, das Schulen und Kitas aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen hatten. Dies war im ersten Lockdown der Fall. Das Instrument wurde offenbar wenig genutzt. In Nordrhein-Westfalen haben bislang rund 2.500 Elternpaare und Alleinerziehende eine Verdienstausfallentschädigung für die Kinderbetreuung erhalten, so das Landesgesundheitsministerium. In diesem Bundesland gibt es aber allein in der Altersgruppe der bis zu 10-Jährigen mehr als 1,5 Millionen Kinder.

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6 Kommentare

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  • Ich würde gerne noch den rotrotgrünen "Bremer-Weg" ergänzen, der darin besteht, einfach spontan Mitte November Kitaplätze bis auf Weiteres zu stornieren und die betroffenen Familien komplett auch selbst zu überlassen.



    Der Grund: Personalmangel, da ErzieherInnen aus Risikogruppen im "Homeoffice" sind. Finde ich auch nachvollziehbar und richtig so, aber man hätte ja mal im Voraus rechnen können, ob man mit dem verbliebenen Personal noch Kita für alle machen kann.... Geht nämlich überraschenderweise nicht. Die überzähligen Kinder durften daher ihren zugesicherten Platz dann räumen.

    Eine Entschädigung nach Infektionsschutzgesetz für die Familien greift hier nicht.



    Eine Priorisierung der Kitaplätze nach sozialen oder beruflichen Gründen findet auch nicht statt.



    Die Senatorin bittet um Verständnis und Solidarität.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Das massive Eingreifen des Staates in der Corona-Pandemie kann helfen, nur muss man es eben auch schlau tun. Diese Bundesregierung ist nicht schlau!



    Milliarden an Lufthansa. Zum Dank entlässt der LH-König weit über 20.000 Menschen.



    Subventionen an die Autobauer, die fas alle Betrüger sind und dennoch Subventionen - also unser Steuergeld - bekommen. Dividende wird immer noch bezahlt.

    Andere, wie Künstler oder Soloselbstständige lässt man links liegen oder speist sie mit einem völlig unzureichenden Betrag ab.

    Merkel verteilt Milliarden an Italien und Spanien und.... als ob wir Geld im Überfluss hätten. Das ist ihre Spezialität und der Preis für ihren positiven Platz in den Geschichtsbüchern, so hofft sie jedenfalls vermutlich.

  • Ich wundere mich, dass das Kitapersonal (auch oft arbeitende Eltern) bei der Berichterstattung über die Probleme der Kinderbetreuung auf der Strecke bleibt. Wahre Geschichte aus den Kitas in denen meine Mutter respektive meine Schwester arbeiten: Bei der Abfrage, welche Kinder denn die Notbetreuung in Anspruch nehmen, erklärten Eltern, dass sie ihre Kinder weiterhin bringen würden, weil dann die Weihnachtsvorbereitungen entspannter seien bzw. weil ja der Carport noch fertig werden solle. Meine Schwester ist alleinerziehend und muss jetzt dennoch diese Kinder betreuen, da der Kita-Träger sie angewiesen hat, den Eltern in keinem Fall ein schlechtes Gewissen zu machen. Meine Mutter pflegt ihren 80 jährigen Mann zuhause. Ich stimme zu, dass der Druck auf die Eltern unangemessen ist, aber ihn auf die Kitamitarbeitenden abzuwälzen ist auch keine solidarische Lösung.

    • @Rosa Orange:

      Ganz genau! Danke für diesen Kommentar!



      Es ist unglaublich, wie sehr der Gesundheits- und Gemütszustand von Erzieher_innen, unter anderem in KiTas schlicht nicht beachtet wird!



      Es tut mir Leid für Eltern, dass sie mit wirklich vielen Belastungen zu kämpfen haben. Umso mehr bin ich schlicht wütend, dass es in Bezug auf die KiTas einfach keine Regeln gibt - nur Apelle und am Ende sitze ich trotzdem mit 20 Kindern da und lese, wenn es überhaupt irgendwo mal um KiTa gehen sollte die Lüge: "Schulen bleiben geschlossen, und KiTas? ach so ja die auch"

  • Die Regelung geht zulasten der Schwächsten. Punkt. Man appelliert an Eltern, entschädigt aber nicht. Der Arbeitgeber kann sich hinstellen und verlangen, dass man arbeitet. Kinderbetreuung ist kein Argument gegenüber dem AG, Kitas sind ja offen ("wenn man es als Eltern nicht anders hinbekommt").

    Ich bin sehr unzufrieden mit der Performance diesmal. Die Rücksichtname und Unterstützung auf berufstätige Eltern hat sich m.E. gegenüber dem ersten Lockdown noch verschlechtert.

    Kann sein, dass das einfach AG-freundliche Policy ist. Aber das hilft doch niemandem. Die Leute bringen ihre Kinder weiter zur Kita, bis diese dann aufgrund von positiven Kindern schließen. Spätestens dann bringt man die kleinen zu den Großeltern. Das Virus verteilt sich locker weiter und der ganze Sinn eines Lockdowns geht den Bach runter.

    Aber getestet kann ja auch kaum noch werden. So fallen selbst in den Kitas covid-Fälle nur zufällig auf.

    • @Heinz Ludwig:

      Ich verstehe nicht, was jetzt schlechter sein soll, als im erstwn Lockdown, jeder der will oder muss, kann sein Kind in die Kita bringen. Kinder im Kitaalter sind nicht besonders gefährdet. Da uberlässt man den Eltern dir Entscheidungsfreiheit und es wird aich wieder gemeckert.