piwik no script img

Kurze Turmbau-Pause

Ulm stoppt die Siegesserie der Hamburg Towers in der Basketball-Bundesliga. Enorm wichtig für den jetzigen Aufschwung war der Austausch fast des kompletten Kaders

Von Christian Görtzen

Dieses Saisondebüt hätten die Spieler des Basketball-Bundesligisten Hamburg Towers gern noch ein wenig hinausgeschoben. Als gestern gegen 17 Uhr in der Inselparkhalle die Schlusssirene erklang, jubelten sie erstmals nicht. Nach zuvor fünf Siegen in den ersten fünf Partien war die Partie gegen Ulm knapp mit 69:73 verloren gegangen.

Trotzdem stehen die Towers mit nun 10:2 Punkten in der Tabelle weiterhin weit oben – sie sind Vierter. Nach dem 100:79 am Donnerstag gegen die Gießen 46ers waren sie sogar zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte Bundesliga-Spitzenreiter. „Es ist eine besondere Situation, wenn man auf die vergangenen Jahre zurückschaut“, sagte Geschäftsführer Marvin Willoughby dazu.

Diese Erfolgsstory wäre vermutlich unerzählt geblieben, wenn nicht im Frühjahr das ­Coronavirus in der Basketball-Bundesliga (BBL) alles zum Stillstand gebracht hätte. Der Aufsteiger stand zu jenem Zeitpunkt auf dem letzten Tabellenplatz.

Als sich die BBL jedoch dazu entschied, die Saison abzubrechen und den Abstieg auszusetzen, wurde den Towers eine zweite Chance beschert. Und diese nutzen sie so prächtig, dass viele Beobachter darüber grübeln, wie das nur möglich ist.

Für Willoughby ist es ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Am Namen Pedro Calles führe kein Weg vorbei, sagte er im Telefongespräch mit der taz. Der 37 Jahre alte Spanier ist seit Sommer Chefcoach der Towers. Gekommen war der gebürtige Andalusier vom SC Rasta Vechta. Aus dem ehemaligen Zweitligisten hatte Calles ein Topteam der Bundesliga geformt, dafür war er auch zum Trainer des Jahres 2019 gekürt worden.

„Pedro Calles ist einfach ein guter Trainer“, betonte Wil­loughby. „Ich habe viele verschiedene Trainer erlebt“, sagte der ehemalige deutsche Nationalspieler. „Manche waren sehr streng, manche eher der Buddy-Typ. Pedro ist nichts davon. Er ist einfach sehr unique, hat ein unheimliches Charisma.“

Calles bringe die Spieler dazu, an ihre Grenzen zu gehen. „Er holt die Jungs aus der Komfortzone heraus. Und er bleibt dabei er selbst. Pedro ist sehr fordernd, sehr genau. Er lebt vor, was getan werden muss.“

Auf die Frage, ob er Calles auch selbst gern als Trainer gehabt hätte, lachte Wil­loughby zunächst. Dann sagte er: „Grundsätzlich ja, denn er macht Spieler besser.“

Enorm wichtig für den jetzigen Aufschwung war im Frühjahr die Erkenntnis, dass das Team radikal verändert werden müsse. Denn ein Jahr zuvor hatten „wir es nicht geschafft, eine Mannschaft aufzustellen, wie in der Bundesliga konkurrenzfähig ist“, hatte Willoughby schon im vergangenen Sommer eingeräumt.

Als sich die BBL dazu entschied, die Saison abzubrechen und den Abstieg auszusetzen, wurde den Towers eine zweite Chance beschert

Fast der komplette Kader wurde ausgetauscht. Nur drei Profis aus dem aktuellen Team trugen das Towers-Trikot auch schon in der vergangenen Saison. Zehn neue Spieler kamen. „Man hat von Anfang an gemerkt, dass es im Team stimmt. Da war gleich viel Freundschaft“, sagte Willoughby. „Die Spieler sind unheimlich daran interessiert, in den Wettkampf zu gehen, intensiv zu arbeiten.“

Das Team hat sich in den ersten Spielen zweifellos als Einheit erwiesen, in der jeder für jeden kämpft, gerade in der Defense, die sich unter Calles erheblich verbessert hat. Und dann gibt es Spieler wie Kameron Taylor oder T. J. Shorts, die mit ihrer hohen Treffsicherheit den Ausschlag gegen können.

Auch Demut ist ein Baustein. Der erst 19 Jahre alte Point Guard Justus Hollatz, der auch schon zu einem Lehrgang der A-Nationalmannschaft eingeladen worden ist, brachte dies nach dem Erfolg gegen Gießen zum Ausdruck: „Trotz des guten Starts sind wir aber noch nicht da, wo wir sein wollen als Team. Wir wollen weiter hart arbeiten und nach vorne blicken.“

Noch in diesem Jahr stehen herausfordernde Aufgaben gegen Alba Berlin und Ludwigsburg an. In der vergangenen Saison waren das unerreichbare Sphären. Für die „Towers 2.0“ scheint es beim Wachsen in die Höhe keine Grenzen zu geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen