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petition der wocheIst das Kunst oder kann das weg? Eine Petition will es wissen

Anlass der Petition Verdruss über Graffiti im öffentlichen Raum

Das wollen die Initiatoren Das Gewährenlassen von Graffiti beenden

So begründen sie die Petition Schmierereien sind undemokratisch

Das Bremer Ehepaar Berthold hat Graffiti satt. Nicht die legalen künstlerischen, sondern die illegalen, schlimmstenfalls auch noch politisch motivierten. „Farbvandalismus“ nennt Michael Berthold das. Die von ihm und Silke Berthold eingereichte Petition heißt „Fassadenschmierereien: ‚Wir wollen das jetzt nicht mehr dulden‘“.

Die Bertholds sind nicht selbst betroffen, ein eigenes Haus haben sie nicht. Ihre Mülltonnen werden zwar manchmal besprüht, im Entfernen seien sie schon sehr versiert. Aber das ist nicht der Grund für ihren Ärger: Sie finden die Schmierereien undemokratisch. Denn sie missachten das Eigentumsrecht, belasten die Umwelt und kosten Privatleute und Stadt jede Menge Geld. Und Letztere mache nichts dagegen, sagt Berthold. „Eine kleine Minderheit tanzt der Mehrheit auf der Nase herum.“

664 Mitzeichner*innen haben sich den Forderungen angeschlossen. Bertholds wollen, dass die Bremer Bürgerschaft über das Thema debattiert, dass die einst abgeschaffte Polizeisonderkommission zu Fassadenschmierereien wieder eingesetzt wird, dass Graffiti zeitnah entfernt und mehr Flächen für sprayende Künstler*innen freigegeben werden.

Eine solche Polizeikommission plant das Innenressort nicht, sagt dazu die Sprecherin von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Die Polizei regele das natürlich trotzdem. Und sobald es politisch wird, ist ihre Staatsschutzabteilung dran. Es sei aber schwierig, bei diesen Straftaten Täter*innen tatsächlich zu ermitteln, gibt Mustafa Öztürk, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, zu bedenken.

Ob der Bremer Haushalt es hergibt, mehr Graffiti als aktuell schon zu entfernen, ist unklar. Torben Kapp von der Bremer Stadtreinigung sagt, die Priorität liege momentan auf der Entfernung rassistischer oder sexistischer Graffiti und solcher auf „touristisch relevanten Gebäuden“. Es koste, je nach Größe, schnell mal eine vierstellige Summe, ein Graffito zu entfernen. Die Gelder, aus denen das finanziert wird, reichten für mehr nicht aus – und Ende 2021 laufe das entsprechende Projekt im Übrigen aus.

Die Politik muss sich also früher oder später mit dem Thema beschäftigen. Die Petition könnte ein Anlass sein, hofft Berthold. Denn die bisher verfolgte „Toleranz“ funktioniere nicht. Der Versuch, hier eine „bürgerliche Ordnung“ herzustellen, sei nichts, wofür sich Politik schämen müsse.

Gerade jungen Menschen müssten hier Grenzen gesetzt werden, fordert Berthold. Und man sollte ihnen zeigen, dass es andere Möglichkeiten gibt, „überschüssige Kräfte loszuwerden“ oder sich politisch zu engagieren – bei Nabu, Parteien, Bahnhofsmission. Bei Letzterer sei er selbst aktiv, „da warten genug Challenges“. Vieles laufe falsch – „aber wenn ich irgendwo ‚Fuck‘ oder ‚Antifa‘ an die Wand schreibe, wird die Welt nicht besser. Und ein Hakenkreuz macht sie sogar schlechter.“

Unterzeichnet werden kann die Petition nicht mehr, sie wird Anfang nächsten Jahres im zuständigen Ausschuss behandelt, sagt deren Vorsitzender Claas Rohmeyer (CDU). Dort können sich Petent*innen und Ausschussmitglieder austauschen und auch Fragen an die zuständigen Senatsressorts stellen. Die Bürgerschaft entscheidet danach über die Forderungen. Alina Götz

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