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Ästhetik des FußballsDas Spiel hat schön zu sein

Beim Spiel des SC Freiburg gegen Borussia Mönchengladbach war ein Fußball zu bestaunen, der aus Kindern Fans macht.

Die Schönheit des Fußballs: Philipp Lienhart (SC Freiburg) trifft zum 1:1 Foto: Weller/dpa

D er große Arsène Wenger sagte kürzlich in einem Spiegel-Interview, schöner Fußball sei etwas, wonach jeder große Verein streben müsse. Die Topklubs tragen eine Verantwortung dafür, Sport wieder zur Kunst zu machen, so der langjährige Trainer von Arsenal FC.

Nun liegt vermutlich niemand nach dem letzten Bundesligaspieltag mit pochendem Herzen wach, weil er die Partie zwischen dem SC Freiburg und Borussia Mönchengladbach wieder und wieder im Gedächtnis nachspielt.Niemand, außer Christian Streich.

Und doch barg diese zunächst unspektakuläre Paarung dieses so an Unentschieden reichen 10. Spieltags einige Momente, die nach schönem Spiel aussahen.

Am Ende trennten sich die Bundesligisten mit einem 2:2. Was allerdings auffiel, war die aufflammende Leichtigkeit beider Mannschaften mit dem Ball. Wer sich die einzelnen Torszenen noch einmal anschaut, empfindet fast so etwas wie kindliche Freude, mit der die Akteure dort agierten.

Perfekte und malerische Tore

Perfekt vorgearbeitet lenkt Mönchengladbachs Kapitän Lars Stindl beispielsweise den Ball zu Breel Embolo, der ihn sicher ins Eck schiebt. Die Führung für die Fohlen.

Dann der Ausgleichstreffer der Freiburger. Nach einer Ecke zaubert Baptiste Santamaria mit einem Fallrückzieher auf Lienhart, das 1:1.

Ein weiteres Tor, nahezu malerisch, dann zum endgültigen 2:2 für die Gladbacher: Alassane Pléa mit beeindruckendem Augenmaß, haut den Ball aus etwa 20 Metern oben in den langen Winkel, unhaltbar für Florian Müller. „Ein wunderschönes Tor“, fand nicht nur der Mönchengladbacher Trainer Marco Rose.

Momente, die uns daran erinnern, warum wir einmal begannen, uns für diesen Sport zu begeistern

Es sind diese Momente, ja manchmal Lichtblicke, die uns daran erinnern, warum wir einmal begannen, uns für diesen Sport zu begeistern. Selbstverständlich möchte man sein Team gewinnen sehen und im modernen Fußball kommt es ohne den Begriff „Effizienz“ nicht aus. Aber wer hat denn Spaß an Elfmetertoren, an glücklichen Standards oder zufällig reingezirkelten Sonntagsschüssen?

Wenn Ergebnisfußball nicht mehr ansehnlich ist, dann lasst es bitte!

Es gibt noch mehr als nur Effizienz

Fußballfans sind auch Romantiker. Viele wissen das nicht mehr, aber wie in einer langen Ehe muss auch diese Leidenschaft vielleicht neu entfacht werden. Das bedarf mitunter eines gegenseitigen Respekts.

Wenn wir an die großen Erfolge unseres Lieblingsklubs oder an Turniere zurückdenken, die sich tief in die Erinnerung gebrannt haben, sind es gewisse Spielszenen und geniale Pässe, Abschlüsse, Zusammenspiele, Vorbereitungen, irre kluges Vorausdenken und die überschwappende Freude eines Spielers nach einer geglückten Aktion, die wir noch mal erzählen, uns immer und immer wieder im Video anschauen. Früher selbst als Kind auf dem Platz gestanden, wollte man tricksen wie die Vorbilder, hat ganze Spielszenen auswendig gelernt und nachvollzogen.

Klar sind Tore bares Geld, Tore sind die Währung im Fußball. Aber ist man dem zahlenden Zuschauer nicht auch schuldig, statt ausgefeilter Effizienz doch den ein oder anderen schönen Moment zu schaffen? Den Zuschauer wissen lassen, dass es noch Spaß macht?

Und wer, wenn nicht der Trainer, muss seinen Spielern das Selbstbewusstsein geben, derartig schöne Szenen auch kreieren zu können? Wenn kein Verständnis, kein Gefühl für Klasse vom Vorgesetzten ausgeht, kann auch der Fußballspieler keinen Sinn dafür entwickeln.

Ob Arsène Wenger mit seinem Appell an die europäischen Klubs nun Christian Streich oder Marco Rose anzusprechen versuchte, wird nicht nachvollziehbar sein. Aber mit Streich findet sich immerhin ein Vertreter der Zunft, der sich bereits lange und leidenschaftlich für das „Schönspielen“ ausspricht. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: „die Leut’ sehen einen ästhetischen Fußball, wenn’s klappt.“

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