Einfach aussitzen

Nagelhaus in Nanning Foto: China Foto Press/imago

Von Lin Hierse

Donald Trump ist ein dīng­zihù 钉子户! Das ist Chinesisch und bedeutet wortwörtlich übersetzt „Nagelhaus“. Umgangssprachlich werden mit dīngzihù jene Hausbesitzer:innen bezeichnet, die sich oft über Jahre hinweg mit dem Staat und großen Baufirmen anlegen, die auf ihren Grundstücken Einkaufszentren, Autobahnen oder 30-stöckige Apartmenttürme bauen wollen. Bilder dieser Häuser sind schon länger berühmt: Alte, oft baufällige Gebäude, die stur aus plattgesprengten, asphaltierten oder bereits neu bebauten Landstrichen herausragen, wie ein einzelner alter Nagel, der einfach nicht aus der Wand will – egal, wie sehr man an ihm zieht.

Seit er seine Niederlage gegen Joe Biden nicht eingestehen will, wird nun auch US-Präsident Trump von chinesischen Internetuser:innen dīngzihù genannt. Der scheidende US-Präsident, der wie gewohnt in Großbuchstaben ins Internet hineinbrüllt, er habe die Wahl gewonnen – er steckt im Weißen Haus wie ein trotziger Nagel in der Wand.

Das Bild ist kurz amüsant: Donald Trump, der sich sonst eher in goldmarmorspiegeligen Luxusgebäuden aufhält, soll nun genau so einer sein wie die armen Nagelhausbesitzer:innen in China. Sie alle erwartet das gleiche tragische Schicksal, nämlich schlussendlich zu verlieren im Angesicht der unausweichlichen Moderne.

Dieses Bild ist natürlich schief. Die chinesischen Na­gel­haus­be­sitzer:innen kämpfen in der Regel um ihr Zuhause, um eine angemessene Entschädigung und nicht selten um ihre Würde. Sie kämpfen, ohne sich die Spielregeln ausgesucht zu haben.

Unter dem Gründer der Volksrepublik Mao Zedong wurde das Recht auf Grundbesitz aufgehoben. Seit 2007 gibt es ein Gesetz, das die Enteignung von Land verbietet – allerdings nicht, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt.

Die echten dīngzihù, die einfach nicht gehen wollen – sie haben die Macht eigentlich nie auf ihrer Seite. Allein deshalb kann Donald Trump niemals ein dīngzihù sein. Die Sache ist dann eben doch, dass nicht alle Nägel gleich sind. Genau wie die Gründe, sie aus der Wand zu ziehen.

Der US-Präsident verliert kein Zuhause, er hat eine demokratische Wahl verloren. Dass er das Weiße Haus nicht verlassen und seinen Posten nicht räumen will, hat nichts mit der Bedrohung seiner Existenz zu tun. Trump kämpft nicht für seine Rechte, sondern gegen das Recht der anderen. Und er kämpft darum, ein gefährliches Narrativ seiner Wahlniederlage zum Trotz über die Zeit zu retten: die Erzählung von Demokratie als Lüge. Vielleicht ist das am Ende der viel störrischere Nagel.