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Hausbesetzung in BerlinObdachlose geräumt

Kurz schien eine politische Lösung für die besetzte Habersaathstraße 46 greifbar. Aber der Bezirk Mitte ruderte zurück und die Polizei räumte.

Nach gescheiterter Hausbesetzung zurück auf Null: Obdachloser in Berliner U-Bahnhof Foto: dpa

Berlin taz | Trotz anfänglichen Optimismus nahm die Besetzung eines Gebäudes durch Obdachlose und Aktivist*innen in der Habersaathstraße ein trauriges Ende. Noch am Donnerstagabend wurde das Haus von der Polizei geräumt. Zuvor hatte es zähe Verhandlungen mit Bezirk und Polizei gegeben. Das Ziel: eine mögliche Beschlagnahmung des Gebäudes für Obdachlose zu prüfen. „Die selbstbestimmte Beendigung von Obdachlosigkeit wird bestraft, die jahrelange Zweckentfremdung von Wohnraum wird hingegen mit teuren Polizeieinsätzen gewährleistet“, kritisierte Sprecherin Valentina Hauser von der Initiative „Leerstand Hab-ich-Saath“, die Räumung.

Am Donnerstag hatten zum Teil wohnungslose Menschen das Haus in der Habersaathstraße 46 in Mitte besetzt. Der Plattenbaus steht seit Jahren größtenteils leer. Das Gebäude wurde 2006 privatisiert und 2017 angeblich für den zehnfachen Preis verkauft. Der neue Investor plant Abriss und Neubau, der Bezirk hingegen eine Rekommunalisierung.

Einige Parlamentarier*innen, darunter die Bundestagsabgeordnete Canan Bayram (Grüne) und die Abgeordneten Katalin Gennburg und Katrin Schmidberger, waren vor Ort, um die Verhandlungen mit Bezirk und Polizei zu unterstützen. Kurz schien eine politische Lösung greifbar. Laut Polizeigesetz ist es möglich, leerstehenden Wohnraum für Obdachlose zu beschlagnahmen. Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) willigte nach Aussage der anwesenden Abgeordneten ein, das zu prüfen.

Der Polizei reichte die Vereinbarung aber nicht, die Räumung auszusetzen und damit von der Berliner Linie abzuweichen. Diese sieht eine Räumung innerhalb von 24 Stunden vor. Gegen 19 Uhr drang die Polizei in das Haus ein und führte die Besetzer*innen zur Identitätsfestellung ab.

Von Dassel ruderte danach auf Twitter zurück: „Eine Beschlagnahme einer Immobilie ist aber nur möglich, wenn die Behörde obdachlosen Menschen nicht auf andere Weise ein Dach über dem Kopf organisieren kann.“ Auch hätten die Besetzer*innen ihre Obdachlosigkeit beim Sozialamt Mitte melden sollen. In einer Pressemitteilung kritisierten die Besetzer*innen von Dassel als zynisch: „Wohnungslosigkeit gibt es nicht nur in Mitte.“

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2 Kommentare

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  • Obdachlose besetzen ein ungenutztes Haus und der Stadtbezirk zieht die Immobilie für sie ein.

    So ein Beispiel wäre aber auch zu schön gewesen. Das hätte einiges bewegen können. Schade.

  • 9G
    90564 (Profil gelöscht)

    ich danke r2g, dass sie wunderbar beweisen, wie recht agnoli hatte und, dass die stadt dem kapital gehört. politik passiert auf der strasse!