Schwere Zeiten für den Frieden: KOMMENTAR VON DIETMAR BARTZ
Auch Stunden nach den neuerlichen Explosionen in Bahnen und einem Bus in London herrschte noch keine Klarheit darüber, was überhaupt passiert ist. Nur zwei Aussagen ließen sich recht schnell treffen: Das Schema der Anschläge folgte dem der vier Anschläge vor zwei Wochen, bei denen 56 Menschen starben und hunderte verletzt wurden. Und die neuen Explosionen waren bei weitem nicht so zerstörerisch wie die vom 7. Juli.
Ob hier aber wiederum islamistischer Terrorismus vorliegt, ob die vielen muslimischen Bekenntnisse zur britischen Demokratie sich als wirkungslos herausgestellt haben, ob die gestrigen Anschläge eine schlichte Imitation der Explosionen von vor zwei Wochen waren, ob technisches Versagen an den Bomben Schlimmeres verhindert hat – darüber kann es zunächst nur Spekulationen geben.
Politisch aber hat sich in Großbritannien innerhalb der vergangenen 14 Tagen einiges verändert. Direkt nach den Anschlägen war die Debatte um die britische Teilnahme am Krieg der USA im Irak kein Thema, weil die Regierung sich nicht erpressbar machen wollte. Inzwischen aber ist der Zusammenhang zwischen den Anschlägen vom 7. Juli und dem Irakkrieg diskussionsfähig – in Parlament und vor allem in der Bevölkerung.
Premierminister Tony Blair indes behauptet unverdrossen, seine Kriegspolitik und die Anschläge vom 7. Juli hätten nichts miteinander zu tun. Mit einer solchen Uneinsichtigkeit gegenüber einem gut Teil der öffentlichen Meinung riskiert er ein Abbröckeln der gesellschaftlichen Solidarität, die am Einvernehmen zu erkennen war, sich nicht von Bombenlegern die politische Agenda diktieren zu lassen.
Dabei muss die Teilnahme am Irakkrieg in Frage gestellt werden dürfen, auch ohne gleich in den Verdacht zu geraten, mit Terroristen zu sympathisieren oder wegen zu großer Nachgiebigkeit zu weiterem Terror regelrecht einzuladen. Die Erschütterung über die neuerlichen Anschläge, die Erleichterung über ihren anscheinend glimpflichen Ausgang dürfen nicht den Blick darauf verstellen, dass das Verhindern von Terrorismus eine politische und gesellschaftliche Aufgabe bleibt, nicht nur eine kriminalistische.
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