heute in bremen: „Schlimmer als unter dem Militärregime“
Interview Benno Schirrmeister
taz: Herr Diallo, wofür demonstrieren Sie?
Mamadou Diallo*: Wir demonstrieren, weil wir das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Guinea vom 18. Oktober nicht anerkennen. Einerseits, weil es viele Hinweise auf Wahlfälschung gibt, andererseits weil Alpha Condé nach der Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit hätte kandidieren dürfen.
Hat er die Verfassung dafür nicht extra geändert?
Doch, aber schon, ob der Artikel 27 überhaupt hat geändert werden dürfen, ist fragwürdig: ‚In keinem Fall‘,hieß der, dürfe jemand mehr als zwei Amtszeiten Präsident sein. Es gab seit einem Jahr massive Proteste dagegen und das Referendum über die Änderung war einfach gefälscht.
Ein Drittel der dafür registrierten 7,5 Millionen Wähler*innen waren fiktiv, hieß es. Aber welche Unregelmäßigkeiten hatte es jetzt gegeben?
Es gab viele Berichte von Fälschungen und Videos, die zeigten, wie die Polizei in die Wahllokale gestürmt ist und dort Wähler*innen vertrieben hat. Dann war eine öffentliche Auszählung geplant gewesen. Stattdessen wurden die Urnen auf Polizeiwachen gebracht und dort unter Ausschluss von Beobachtern so ausgezählt, wie es Condé passte.
*Mamadou Diallo heißt eigentlich anders. Er lebt in Bremen, seit er als Anhänger der Opposition und Angehöriger der Fula vor sieben Jahren aus Guinea hat fliehen müssen.
Alpha Condé war doch mal der große Hoffnungsträger ...?
Ja, nach seiner Wahl vor zehn Jahren hatten viele von uns erwartet, dass er die Demokratisierung voranbringt. Aber die Hoffnungen sind längst verflogen. Schauen Sie doch mal, woher die meisten Geflüchteten stammen: Guinea ist fast immer unter den Top Five der Herkunftsländer. Viele junge Männer fliehen von dort, vor allem wenn sie den Fula angehören, denn die werden oft willkürlich ins Gefängnis gesteckt, gefoltert und immer häufiger getötet. Tausende Tote hat es in den letzten Jahren gegeben. Es ist schlimmer als unter dem Militärregime.
Die Fula sind eine ethnische Minderheit?
Nein, eigentlich sind wir die größte Gruppe im Land. Aber wir haben keinen Zugang zur Macht.
Was wollen Sie mit der Demo erreichen? Geht es darum, sich zu solidarisieren?
Kundgebung: Stoppt das Töten in Guinea!, veranstaltet von der Sektion Bremen der Union des Forces Démocratiques de La Guinée, Marktplatz, 16. 30 Uhr
Natürlich geht es auch darum. Aber wir wollen, dass Bremen hinsieht, dass Deutschland und Europa hinsehen: Bei so kleinen Ländern wie Guinea werden die Augen einfach zugemacht. Auch Deutschland finanziert das Regime von Condé mit, Frau Merkel muss als mächtigste Frau der Welt so eine Diktatur nicht unterstützen!
Und Sie glauben, ein Präsident Cellou Dalein Diallo würde alles besser machen?
Nicht alles, aber vieles. Er ist auch ein Politiker und das Vertrauen in die Politik ist bei uns nicht so groß. Wir glauben aber, dass in Wirklichkeit die Mehrheit für ihn gestimmt hat am 18. Oktober. Er ist der legitime Präsident.
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