piwik no script img

Ganz Polen ist jetzt „gelbe Zone“

Maskenpflicht im Freien: Regierung reagiert auf den Covid-19-Anstieg

Aus Warschau Gabriele Lesser

5.300 Coronaneuinfizierte an nur einem Tag verkündete am Samstag der polnische Gesundheitsminister. Es war ein neuer trauriger Rekord. Dabei hatte Polens Premier Mateusz Morawiecki noch vor Kurzem beruhigt, dass das Virus „auf dem Rückzug“ sei. Doch seit Anfang Oktober vergeht kaum ein Tag ohne neue Hiobsbotschaften. Die Zahl der Neuinfizierten steigt ebenso rasant an wie die der Todesfälle.

Am Samstag erklärte Morawiecki von der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) ganz Polen zur „gelben Zone“ sowie zahlreiche Städte und Kreise zu „roten Zonen“. Wie zu Beginn der Pandemie im Frühjahr gilt wieder eine allgemeine Pflicht, auch im Freien Atemschutzmasken zu tragen. Theater, Philharmonien, Opernhäuser und Kinos dürfen nur noch 25 Prozent ihrer Eintrittskarten verkaufen. Für Sportveranstaltungen gilt das gleiche. Hochzeiten und Geburtstagsfeiern sollen wenn irgend möglich verschoben werden.

Anders als beim Lockdown im Frühjahr bleiben Parks und Wälder frei zugänglich, die Fernzüge und -busse fahren und auch Flugzeuge landen und starten noch. Die Grenzen zu den Nachbarländern sind offen. Ob die zwei Senioren-Einkaufsstunden von 10 Uhr bis 12 Uhr in Lebensmittelläden, Drogerien und Apotheken diese Risikogruppe tatsächlich vor Ansteckung schützen, ist fraglich, zumal sie selbst sich an diese Einschränkung nicht halten müssen. Restaurants, Bars und Kneipen dürfen in der gelben Zone bis 22 Uhr geöffnet haben.

Das Vertrauen in Polens Politiker ist inzwischen massiv eingebrochen. In einer Umfrage des Instituts SW Research warfen über 65 Prozent der Befragten den Politikern vor, „unverantwortlich“ mit dem Virus und seiner Gefahr für die Bevölkerung umzugehen. Vielen klingen noch die Worte Morawieckis in den Ohren, als er Mitte Juli zu den Präsidentschaftswahlen aufrief und insbesondere den Älteren zusicherte, dass „das Virus nicht mehr gefährlich“ sei. Inzwischen sind rund 3.000 Polen und Polinnen am Virus gestorben.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen