Barbara Oertel über den Rücktritt des kirgisischen Präsidenten: Faire Wahlen fehlen trotzdem
Eines muss man dem kirgisischen Präsidenten Sooronbaj Dscheenbekow lassen: Mit der Ankündigung, seinen Posten zu räumen, hat er zumindest Wort gehalten. Dieser Rücktritt unterscheidet ihn in markanter Weise von dem belarussischen Dauerherrscher Alexander Lukaschenko. Der klammert sich weiter an sein Amt und hat sogar gedroht, mit scharfer Munition auf friedliche Demonstrant*innen schießen zu lassen.
Die jüngsten Ereignisse in Kirgistan sind aber auch ein Alleinstellungsmerkmal des Landes in der gesamten Region. Immerhin ist es nach 2005 und 2010 bereits das dritte Mal, dass sich die Kirgis*innen ihrer Regierung entledigt haben.
Demgegenüber scheinen die autokratischen Herrscher der anderen Ex-Sowjetrepubliken in Zentralasien weiter fest im Sattel zu sitzen. Erst am vergangenen Sonntag ließ sich Tadschikistans Staatschef Emomali Rachmon für seinen „grandiosen“ Sieg bei der Präsidentenwahl feiern, die er angeblich mit fast 91 Prozent der Stimmen gewonnen hatte.
Allerdings ist zweifelhaft, ob Dscheenbekows Rücktritt die Krise entschärfen kann und dem Land zu einem Mindestmaß an Stabilität, vielleicht sogar zu einem Neuanfang verhilft. Der neue Regierungschef Sadyr Schaparow, nationalistischer Umtriebe nicht unverdächtig, hat in den vergangenen Tagen vor allem auf die Gewaltbereitschaft seiner Anhänger anstatt auf wirkliche Dialogbereitschaft gesetzt. Am Donnerstag erklärte er sich kurzerhand auch noch zum neuen Präsidenten.
Auch Schaparows Ankündigung, mit Korruption und Vetternwirtschaft aufräumen zu wollen, ist mit Skepsis zu betrachten. Denn dieses Unterfangen ist eine Herkulesaufgabe in einem Land, in dem der Kampf rivalisierender Clans die Politik maßgeblich mitbestimmt.
Und last but not least: Um den Staatsorganen die notwendige Legitimität zu verschaffen, braucht es alsbald Neuwahlen. Diese müssten die Kriterien frei und fair erfüllen sowie unter internationaler Beobachtung stattfinden. Dies ist in Kirgistan aber leider keine Selbstverständlichkeit. Noch nicht.
ausland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen