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Eckpunktepapier von Fridays for FutureDie Kunst des Nötigen

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Fridays for Future legen Eckpunkte für Deutschlands Beitrag zum Kampf für das 1,5-Grad-Ziel vor. Die haben Schwächen, aber einen unschätzbaren Wert.

AktivistInnen von Fridays for Future vor dem Verkehrsministerium in Berlin im Oktober Foto: K.M. Krause/snapshot-photography

D ie jungen Leute hören einfach nicht auf zu nerven. Erst ließen sich die Fridays for Future auch durch Corona nicht unterkriegen; schließlich organisierten sie wieder Zehntausende allein in Deutschland für einen globalen Streiktag. Und nun legen sie „Eckpunkte“ vor, mit denen Deutschland seinen halbwegs gerechten Anteil daran leisten könnte, den Klimawandel unter 1,5 Grad zu halten. Damit werden sie den Wahlkampf zum Bundestag im nächsten Jahr beeinflussen.

Das Gutachten selbst hat durchaus seine Schwächen. Aber es hat einen unschätzbaren Wert: Mit den 120 Seiten aus dem Wuppertal-Institut werden die AktivistInnen die politische Klasse vor sich hertreiben. Denn es stimmt: Keine Partei hat bisher einen konkreten Plan, was echter Klimaschutz heißen würde. Mit gutem Grund, wenn man sich die Giftliste der FFF ansieht: Welche Partei möchte im Wahlkampf den WählerInnen schmackhaft machen, den Autoverkehr zu halbieren, innerdeutsche Flüge zu verbieten, den CO2-Preis auf 180 Euro zu erhöhen, viermal so viele Windräder und Solarparks zu bauen? Was bislang im Elfenbeinturm der Wissenschaft gefordert wurde, bekommt jetzt politische Relevanz: Denn entweder unterschreiben die Parteien im Wahlkampf diese Forderungen oder es fallen ihnen ein paar kluge Gegenstrategien ein – oder sie geben das 1,5-Grad-Ziel auf.

Für Fridays for Future ist der Forderungskatalog ein wichtiger Schritt: Bisher haben sie argumentiert, von SchülerInnen könne man Rezepte zur Weltrettung nicht erwarten: Die Politik der Erwachsenen solle sich gefälligst an ihre eigenen Versprechen halten und Konzepte finden. Jetzt legen sie selbst Vorschläge auf den Tisch, an denen sich die Parteien messen lassen müssen. Sie halten das Thema in der Debatte und liefern einen Maßstab dafür, wie ernst die Erwachsenen das Thema nehmen.

Angela Merkel hat vor einem Jahr die enttäuschenden Ergebnisse des „Klimapakets“ damit begründet, Politik sei „das, was möglich ist“. Die Fridays for Future zeigen jetzt: Es muss auch das sein, was nötig ist.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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10 Kommentare

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  • das nötige ist nicht möglich solange das kapital herrscht

    der kapitalistische westen ist der hauptschuldige an der destabilisierung des klimas und der vernichtung der biodiversität

    www.theguardian.co...nous-amazon-planet

    • @satgurupseudologos:

      Vergleichen Sie mal die Umweltschutzvorschriften von BRD und DDR. Der real existierende Sozialismus / das Arbeiter- und Bauernparadies war das deutlich umweltfeindlichere System. Umweltschutz muss man sich eben leisen können.

  • Die Klimawende wird wohl erst dann gelingen, wenn klimaneutrale Energie günstiger ist als Erdöl und Erdgas.

    Angenommen Deutschland schafft es tatsächlich klimaneutral zu werden. Dazu müsste man bei gelichbleibenden Energieverbrauch wohl etwa das 15fache an klimaneutralen Energieträgern nutzen, die klimaneutralen Energien also um 1400% ausbauen. Was machen dasnn die Erdöl bzw. Erdgas exportierenden Länder? Die werden ja nicht einfach ihre Produktion einstellen sondern ggf. günstiger wegen der fallen Nachfrage ihre Produkte an andere Staaten verkaufen.

  • @LUFTFAHRER: "ja, macht, aber fangt nicht bei mir an".

  • "Dann vielleicht doch das 1,5 Grad Ziel aufgeben."

    Meinten Sie: dann vielleicht so an die 2-3 Milliarden Menschen dem Tod überantworten?

  • "Das Gutachten selbst hat durchaus seine Schwächen"

    So. Hat es.

    Stellt sich die Frage, ob unser aktueller Verkehrsminister überhaupt irgendeine Stärke vorweisen kann.

  • "den Autoverkehr zu halbieren, innerdeutsche Flüge zu verbieten, den CO2-Preis auf 180 Euro zu erhöhen, viermal so viele Windräder und Solarparks zu bauen".



    Zum Halbieren des Autoverkehrs: Utopisch. Sogar in der Schweiz mit ihrem hervorragenden ÖV werden rund 2/3 der Strecke mit dem Auto zurückgelegt. Das ist zwar deutlich weniger, aber immer noch deutlich mehr als die Hälfte wie bei uns.



    Zum Verbot innerdeutscher Flüge: reine Symbolpolitik. Der Anteil am gesamten CO2-Ausstoß in Deutschland beträgt lächerliche 0,3%. Was auch daran liegt, dass diese Flüge in der Regel Nischenverbindungen darstellen, die nicht mal einen einzigen ICE halbwegs vollbekommen würden.



    Zur Erhöhung der CO2-Steuer: Bin mal gespannt, wie das sozial gestaltet werden soll. Gerade auf dünn besiedeltem Land, aber auch in kleinen und mittleren Städten sind viele Leute auf das Auto angewiesen, da ein dichter, großflächiger ÖV dort sowohl ökologischer als auch ökonomischer Unsinn ist. Diese Leute dürfen dann (noch mehr als heute) wenigen Privilegierten in Metropolen einen ÖV finanzieren, damit diese ein grünes Gewissen haben können, wenn sie sich fortbewegen.



    Viermal so viele Windräder und Solarparks: viel Spaß mit den BIs. Zudem fehlt es immer noch vorne und hinten an Speichern (man berücksichtige ihre Wirkungsgrade), damit die Züge nicht stehenbleiben, wenn weder Wind weht noch Sonne scheint.

    • @Luftfahrer:

      ma merkt halt das es großstadtkiddies sind die außerhalb ihrer bubble nichts mitbekommmen......

      • @Sinulog:

        Ich muss Ihnen gestehen, dass ich selbst "Großstadtkiddie" bin (naja fast, 1km Luftlinie bis zur Großstadt). Allerdings habe ich das Privileg, Bekannte auf dem "Hardcore-Land" (100-Seelen-Dörfer wohin das Auge reicht) zu haben. Es hat allerdings schon seine Gründe, warum das Land tendenziell konservativ tickt.

  • Dann vielleicht doch das 1,5 Grad Ziel aufgeben. Die Forderungen sind eine Utopie, also nicht umsetzbar. Daher sollte man es gleich lassen und sich lieber mit der Reduzierung der Folgeschäden befassen. Das ist das einzig realistische Szenario, auch wenn die Träumer von FFF das nicht wahrhaben wollen