: Polnische Hilfe: Container für ein neues Lager
Aus Warschau Gabriele Lesser
In Polen ist das Drama auf der Insel Lesbos kein Thema. Zwar gab es in fast allen Medien kurze Berichte, doch dienten die Bilder von den angeblichen Brandstiftern, Kriminellen und potentiellen Terroristen nur wieder als Beispiel für die gescheiterte Flüchtlingspolitik der EU. Es sei ein Fehler gewesen, all diese Menschen überhaupt nach Europa einzuladen. Die Situation in Deutschland, Schweden und Frankreich zeige, dass die „islamistischen Migranten“ schon als Clans nach Europa gekommen seien, nicht etwa, um Schutz zu suchen, sondern um die Gastländer auszurauben und junge Frauen zu vergewaltigen. Polen werde diese Migranten auch in Zukunft auf keinen Fall ins Land lassen, lautet der Tenor der Berichte.
Diese Argumentation ist nicht neu. 2015 gewann die nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit einer ausländerfeindlichen Hetzkampagne und geradezu grotesker Angstmache vor angeblich todbringenden Seuchen, die muslimische Migranten ins Land bringen würden, die Wahlen. Die ursprünglich sehr hilfsbereiten Polen, die den Flüchtlingen in der Tradition der Solidarność-Bewegung der 1980er Jahre helfen wollten, wurde Angst von unbekannten Viren und Bakterien eingeimpft. Bis heute genießt die PiS den Ruf, Polen zu einem Bollwerk gemacht zu haben, das das Christentum gegen den Islam verteidige. Rund 70 Prozent der Bevölkerung lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen ab. Dagegen loben Regierungspolitiker gerne die Aufnahme von angeblich einer Million Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Tatsächlich aber nimmt Polen kaum noch Flüchtlinge aus dem östlichen Nachbarland auf – mit der Begründung, dass in der Ukraine eine Binnenmigration möglich sei, da der Krieg sich auf der Krim und die Ostukraine beschränkt.
Dass, so offizielle Angaben, dennoch rund 400.000 UkrainerInnen in Polen leben und die größte Gruppe von Ausländern stellen, liegt an der Vergabe von Arbeitsvisa. Wer in Polen unter diesen Bedingungen arbeitet, unterliegt einerseits der Steuer- und Sozialabgabepflicht des Landes, ist aber jederzeit abschiebbar. Polens Staatskasse und das Sozialsystem profitieren also von diesen Arbeitsmigranten. Vorgebliche Belastungen, noch dazu von angeblich einer Million ukrainischer Flüchtlinge gibt es dagegen nicht. Dennoch anerkennen die Europäische Union und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Behauptung von einer hohen Belastung Polens durch die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Sie gelten als Entschuldigung dafür, dass sich das Land bisher an keinem EU-Flüchtlingshilfe-Programm beteiligt hat.
Um nicht als gänzlich unsolidarisch zu gelten, hat die Regierung unter Mateusz Morawiecki ein Programm zur Hilfe vor Ort auf den Weg gebracht, So schickte Polen nach dem Großbrand im Hafen von Beirut eine Polizei-Hundestaffel in den Libanon, die nach Verschütteten suchte. Jetzt sollen insgesamt 600 Wohncontainer in Kunststoff-Leichtbauweise in den Libanon, nach Syrien und 150 davon nach Griechenland geschickt werden – für das neue Flüchtlingslager in Moria. Flüchtlinge von dort aufnehmen will Polen dagegen nicht.
Dabei appellieren inzwischen einige Nichtregierungsorganisationen sowie katholische Geistliche, zumindest einige Familien mit Kindern aus Moria in Polen aufzunehmen. Doch es ist wenig wahrscheinlich, dass die Regierung Morawiecki deshalb ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik ändern wird.
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