ortsbegehung: Rustikaler Charme wie im Bayernurlaub
Es ist ein lauer Sommerabend 2019, Menschen stehen in prä-Corona-Grüppchen vor der Altonaer Fabrik und rauchen. Heute finden hier die Stadtmeisterschaften im Poetry Slam statt. Bei Zigarettenrauch bin ich etwas empfindlich, also dränge ich meine Begleiter*innen dazu, schon mal reinzugehen.
Obwohl ich aus Hamburg komme, war ich noch nie in der Fabrik, nicht mit Absicht, aber auch nicht ganz zufällig. Mein Vater erzählte oft irgendwelche Konzert-Anekdoten, wenn wir vorbeifuhren, die ich meist mit einem unbeeindruckten Nicken quittierte. War die Fabrik letztlich nicht auch nur ein x-beliebiger Ort, an dem man sich in Ekstase versetzte?
Bis auf den Kran, der wie ein hässliches Ungeheuer auf dem Dach der Fabrik thronte, kam mir die Location von außen immer recht unspektakulär vor. Alt halt, ein bisschen schäbig vielleicht, kurz: nicht gerade anziehend. Gut, das war tagsüber, aber auch jetzt, während ich den Eingangsbereich betrete, haut mich noch nichts von den Socken.
Doch als sich mir der Blick ins Innere öffnet, bin ich ein bisschen geflasht, muss ich zugeben. Vielleicht liegt es daran, dass ich dieser rustikal-urbanen Mischung sonst eigentlich nur im Bayernurlaub begegne und mich kurz orientieren muss. Oder ich bin schlicht und einfach angetan: massive Holzträger und Stahlstreben, dazu die Beleuchtung – einfach fancy.
Ich war bisher nur in Theatern, die irgendwie immer einen biederen Beigeschmack haben, auch wenn sich das mit der linken Slam-Szene eigentlich nicht verträgt. Ganz im Gegensatz zur Fabrik, die direkt ihren hippen Charme versprüht.
Die Stimmung ist während des Abends jedenfalls ungebrochen. Am Alkohol kann’s nicht liegen, der ist schließlich nichts Besonderes, und die Texte sind so durchmischt wie immer. Also ist es wohl die Atmosphäre, rede ich mir ein. Old School? Kein bisschen. Wie das mit Ü40-Partys zusammenpassen soll, die hier regelmäßig stattfinden, weiß ich allerdings auch nicht.
Lena Toschke, 20, ist in Hamburg aufgewachsen.
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