Sexualstrafrecht in Dänemark: Künftig heißt nur Ja wirklich Ja
Kopenhagen verschärft sein Sexualstrafrecht: Als Vergewaltigung gilt, wenn man sich nicht einig ist. Vorbild dafür ist der Nachbar Schweden.
Nach jahrelanger Debatte bekommt der Vergewaltigungstatbestand des dänischen Sexualstrafrechts eine neue Fassung. Am genauen Wortlaut soll noch gefeilt werden, bevor die Gesetzesvorlage im Oktober im Parlament eingebracht werden soll, um zum 1. Januar 2021 in Kraft zu treten. Aber die Vorlage entspricht den Änderungen, die 2018 in Schweden in Kraft getreten waren.
Der Grundsatz „Nein heißt Nein“ soll nun zu einem „Nur ein Ja ist ein Ja“ konkretisiert werden. Besteht zwischen den Beteiligten keine Einigkeit über Geschlechtsverkehr, kann damit der Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt sein. Diese Einigkeit muss in einer aktiven verbalen oder nonverbalen Zustimmung eindeutig erkennbar ausgedrückt werden.
Die Gesetzesmaterialien liefern ein Beispiel: Ein Flirt oder ein Kuss zu einem früheren Zeitpunkt kann nicht als Einverständnis für einen späteren Geschlechtsverkehr interpretiert werden. Auch Passivität soll nicht länger als stilles Einverständnis ausgelegt werden können.
Zweifel in Schweden nicht bewahrheitet
„Ein großer Tag, für den wir seit 2008 gekämpft haben“, sagt Karina Lorentzen, justizpolitische Sprecherin der Linkssozialisten. Von einem „Riesensieg“ spricht Helle Jacobsen von der dänischen Amnesty-International-Sektion: „Das haben Vergewaltigungsopfer, Frauenorganisationen und Amnesty seit Jahren gefordert.“ Rosa Lund von der linken Einheitsliste sagt: „Ich bin überzeugt, dass die allermeisten Menschen wissen, was Zustimmung zu sexuellem Umgang ist. Und wenn man sich nicht sicher ist, dann kann man ja einfach fragen.“
Auch in Schweden hatte es anfänglich Bedenken gegeben, ob ein solches Zustimmungserfordernis in der Praxis handhabbar ist – Zweifel, die sich nicht bewahrheitet haben. Der oberste Gerichtshof hat mittlerweile den Grundsatz entwickelt, dass es für eine Verurteilung zur fahrlässigen Erfüllung des Vergewaltigungstatbestands ausreichend ist, wenn einem Angeklagten nachgewiesen werden kann, dass er es auch in Betracht zog, dass das Opfer nicht einverstanden gewesen war.
An den Beweisproblemen, die es bei jedem Strafverfahren zum Vorwurf der Vergewaltigung gibt, änderte allerdings auch die Einwilligungsregelung nichts. Nach wie vor hat die Anklage die Beweislast – nun eben dafür, dass es eine keine Einwilligung gegeben hat. Musste sie nach alter Gesetzeslage Gewalt oder Drohung nachweisen, muss jetzt nachgewiesen werden, dass der Wille der anderen Person missachtet wurde.
In Schweden hat das in der Praxis dazu geführt, dass die Zahl von Anklagen und Verurteilungen wegen Vergewaltigung zwischen 2017, dem Jahr vor der Reform, und dem Jahr 2019 um 75 Prozent von 190 auf 333 angestiegen ist. „Der Gesetzeseffekt war damit wesentlich größer, als man vorher angenommen hatte“, sagt Stina Holmberg, Forschungschefin beim Rat für Kriminalitätsprävention.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Wahl in den USA
Sie wussten, was sie tun
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!
Streitgespräch über den Osten
Was war die DDR?