: Wie smart ist mein Phone?
Auch für Produkte der Unterhaltungselektronik ist fairer Handel relevant: vom Abbau der Rohstoffe in den Minen, über die Arbeit in den Fabriken bis zu Entsorgung und Recycling
Von Frank Herrmann
Computer sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Selbst Kühlschränke, Küchengeräte und Kaffeemaschinen sind mit immer mehr intelligenter Elektronik vollgestopft. Wie sinnvoll das ist, sei dahingestellt. Aber eines haben all diese Helfer gemein: ihren großen ökologischen und sozialen Fußabdruck. Der Weg von der Mine bis zum E-Produkt ist lang und problembeladen. Auch das Ende ist vorprogrammiert: Früher oder später wird aus allen Geräten Schrott. Viel Schrott.
Laut dem Global E-waste Monitor der Vereinten Nationen hat jeder Erdenbürger 2019 die Rekordmenge von 7,3 Kilogramm E-Schrott produziert. Die Gesamtmenge belief sich auf 53,6 Millionen Tonnen, vergleichbar dem Gewicht von 35 Millionen SUVs. Die Deutschen sind pro Kopf jährlich für fast 20 Kilo E-Schrott verantwortlich.
Nur rund ein Sechstel der Gesamtmenge wird recycelt – in Europa 42,5 Prozent, in Afrika 0,9 Prozent. Der Rest landet auf Deponien, wird verbrannt oder gelangt trotz Verbot in asiatische und afrikanische Länder. Die Deutsche Akademie für Technikwissenschaften schätzt, dass 25 bis 30 Prozent des in Europa anfallenden Elektroschrotts illegal exportiert werden.
Das ist gleichermaßen fahrlässig wie unwirtschaftlich, denn neben toxischen Substanzen wie Blei oder Quecksilber enthält der weltweite E-Schrott wertvolle Metalle im Wert von rund 57 Milliarden US-Dollar. Allein in den rund 200 Millionen Smartphones und Handys, die laut Branchenverband Bitkom ungenutzt in deutschen Haushalten lagern, stecken rund 6 Tonnen Gold – aktueller Marktwert: 324 Millionen Euro.
Doch so lukrativ der Abbau von Gold und anderen Edelmetallen auch sein mag, er ist mit immensen Schäden für Umwelt, Mensch und Natur verbunden: Kinder schuften in den Kobaltminen der Demokratischen Republik Kongo. Im Hochland Perus, Boliviens oder Argentiniens kommt es immer öfter zu Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Rohstoffkonzernen. Schürfer verseuchen ganze Flusssysteme im Amazonasgebiet mit Quecksilber, das sie beim Goldabbau einsetzen.
Zerstörte Umwelt und soziale Konflikte: Das kultige und moderne Image, das die IT-Branche gern pflegt, hat Risse bekommen. Doch davon bekommen die Verbraucher ebenso wenig mit wie von den miesen Arbeitsbedingungen in den chinesischen Fertigungsstätten. Hier sind Unternehmen und Politik gleichermaßen gefordert. Gerade Letztere verfügt mit den milliardenschweren Ausgaben bei der öffentlichen Beschaffung für Netzausbau, digitale Infrastruktur oder Schullaptops in Milliardenhöhe über einen Hebel für Veränderungen.
Aber auch jeder von uns kann zur Verbesserung der Lage beitragen. Die wichtigste Empfehlung ist so schlicht wie banal: weniger konsumieren! Das bedeutet konkret, nicht jedem Markttrend zu folgen und alle zwei bis drei Jahre die komplette elektronische Infrastruktur auszutauschen, sondern die Geräte so lange wie möglich zu nutzen.
Gehen Geräte kaputt, ist zunächst reparieren angesagt. Das Bewusstsein hierfür ist zuletzt gestiegen. Hunderte Repair-Cafés haben sich inzwischen deutschlandweit etabliert. Do-it-yourself-Bastler finden ausführliche Anleitungen bei kaputt.de oder ifixit.com. Das Bündnis „Runder Tisch Reparatur“, ein Zusammenschluss von mehr als 20 Organisationen, fordert unter anderem den Zugang zu erschwinglichen Ersatzteilen, einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Reparaturdienstleistungen und Gebrauchtwaren sowie ein reparaturfreundliches Produktdesign. Frankreich will 2021 einen Reparatur-Index einführen, der beim Kauf darüber informiert, wie einfach sich das Produkt reparieren lässt. Die EU-Kommission hat ein „Right to Repair“ angekündigt, ein Maßnahmenbündel, das Reparaturen vereinfachen soll.
Analog fordert die Plattform lastingware.com ein „Recht auf Langlebigkeit“. Denn oftmals ist es nicht die Hardware, die nicht mehr will, sondern das Betriebssystem, das sich nicht mehr updaten lässt. Gut für die Hersteller, schlecht für die Nutzer, die oft keine andere Wahl haben, als sich ein Neugerät zuzulegen. Durch die verkürzte Nutzungsdauer vergrößert sich der ökologische Fußabdruck, denn ein Großteil des Gesamtenergieverbrauchs elektrischer Geräte fällt bei der Produktion und Auslieferung an. Und auch neue Betriebssysteme verschlingen immer mehr Ressourcen.
Lohnt die Reparatur nicht, kann man im Internet auf ein breites Sortiment von Secondhand-Geräten mit Garantie zurückgreifen. Neben kommerziellen Plattformen wie rebuy.de, backmarket.de oder asgoodasnew.de bietet die gemeinnützige AfB ausrangierte Firmencomputer, Laptops, Smartphones und Monitore an.
Ist doch mal wieder ein Neugerät notwendig, können Siegel wie TCO und das Umweltzeichen Blauer Engel die Kaufentscheidung unterstützen. Während das in Schweden entwickelte TCO-Label neben Umweltaspekten auch soziale Vorgaben berücksichtigt, aber eher im öffentlichen Beschaffungswesen von Bedeutung ist, kennzeichnet der Blaue Engel die energiesparendsten Produkte, achtet auf Langlebigkeit sowie Reparierbarkeit und setzt Grenzwerte bei elektromagnetischer Strahlung.
Fair hergestellte E-Produkte sind immer noch Mangelware. Hier geben kleine Unternehmen den Takt vor. Das fairste Smartphone auf dem Markt ist das niederländische Fairphone. Einen ähnlichen Ansatz, wenn auch weniger transparent, verfolgen die Shiftphones aus Deutschland. Ebenfalls von hier stammt die faire Computermaus von Nager IT. Die zum Teil aus Holz gefertigten Computer der irischen I-am-Eco-Serie sind nicht nur nachhaltig, sondern auch schick.
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