piwik no script img

Bericht zum HandelsabkommenMercosur zerstört mehr Regenwald

Eine französische Untersuchung warnt vor den ökologischen Folgen des Abkommens mit Südamerika.

Südamerikanisches Fleisch bald in Europa: Eine Rinderzucht in Pantanal (Brasilien) Foto: Amanda Perobelli/reuters

Paris taz | Ein französischer Expertenbericht hat vor den ökologischen Konsequenzen des Handelsabkommens zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur gewarnt. Der von der Regierung in Paris in Auftrag gegebene Text weist darauf hin, dass der ohnehin schon stark zerstörte brasilia­nische Regenwald durch den Deal weiter leiden würde.

Durch die Öffnung des europäischen Marktes für Rindfleisch aus Südamerika würde in den kommenden sechs Jahren eine Waldfläche von jährlich 5 Prozent zerstört. Insgesamt würde das Abkommen einen Ausstoß von zusätzlich 4,7 bis 6,8 Millionen Tonnen CO2 bedeuten. „Wenn dieses Risiko sich bestätigt, dann wäre die Bilanz zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen und den klimatischen Kosten negativ“, heißt es in dem 184 Seiten langen Dokument, das unter Leitung von Stefan Ambec von der Toulouse School of Economics verfasst wurde.

Das Expertengremium kritisiert, die EU habe bei den Verhandlungen nicht genug Druck auf ihre südamerikanischen Verhandlungspartner ausgeübt. „Das Abkommen ist eine verpasste Gelegenheit für die EU, ihre Verhandlungsmacht zu nutzen, um solide Garantien zu erhalten, die den ökologischen, sanitären und allgemeinen gesellschaftlichen Erwartungen ihrer Bürger entsprechen.“ Regierungschef Jean Castex sieht sich durch den Text in seiner Haltung bestätigt, das Abkommen in seiner jetzigen Form abzulehnen. „Die Abholzung gefährdet die Biodiversität und schadet dem Klima“, twitterte der französische Premierminister.

Umweltschützern ist die Reaktion der Regierung allerdings zu schwach und zu vage. So fordert beispielsweise die Stiftung des früheren Umweltministers Nicolas Hulot, das Abkommen ganz zu beerdigen. „Wenn eines Tages ein Abkommen zwischen den beiden Regionen geschlossen wird, muss es neu gedacht und auf einer völlig veränderten Grundlage aufgebaut werden“, erklärt die Stiftung.

Frankreich sucht den Dialog

Frankreichs Regierung will den Dialog mit den Mercosur-Staaten, zu denen Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören, nicht abbrechen. „Wir wollen nicht alles stoppen, sondern im Gegenteil das Eisen schmieden, solange es heiß ist“, zitiert die Nachrichtenagentur AFP aus Regierungskreisen. Unter drei Bedingungen könnten die Verhandlungen weitergeführt werden:

Das Abkommen dürfe nicht zu einer weiteren Abholzung führen, die Regierungen der Mercosur-Staaten müssten sich zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichten und die importierten Agrarprodukte müssten die EU-Umwelt- und -Gesundheitsnormen berücksichtigen. Die französische Regierung wolle dazu neue Vorschläge unterbreiten.

Das Mercosur-Abkommen, von dem sich die EU einen besseren Zugang zu den Märkten Südamerikas verspricht, war 2019 unterzeichnet worden. Es muss von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden, wurde aber bereits in Österreich und den Niederlanden abgelehnt. Die deutsche Bundesregierung stellt sich laut Regierungssprecher Steffen Seibert „ernsthafte Fragen“.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte den Deal zunächst als „gutes Abkommen“ begrüßt. Nach Kritik von Umweltschützern und Landwirten, die die Konkurrenz aus Südamerika fürchten, änderte Macron jedoch seine Meinung und forderte weitere Garantien.

Beim G7-Gipfel in Biarritz legte er sich im vergangenen Jahr mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro an, als er die Großfeuer in der Amazonasregion kurzfristig auf die Tagesordnung setzte. Bolsonaro warf Macron daraufhin „eine im 21. Jahrhundert überholte Kolonialmentalität“ vor, weil die G7 das Thema in Abwesenheit Brasiliens besprachen. Laut einer Yougov-Umfrage in mehreren EU-Ländern, darunter Deutschland und Frankreich, sind rund vier Fünftel der Befragten dafür, das Abkommen zu stoppen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Macron will sich wieder mal profilieren. Schön und gut, aber bitte nicht wieder auf unsere Kosten.



    Bolsonaro halte ich für völlig verrückt im Kopf. Den muss man bekämpfen, möglichst mit Druck auch gegen die anderen Länder, die ebenfalls Dschungel abbrennen. Zuckerbrot und Peitsche und nicht Bla Bla.



    Wenn es sein muss auch alleine - aber mit Merkel????



    Handelt endlich! Soja Importverbot jetzt! Kein Rindfleisch mehr aus Brasilien oder Argentinien. Druck aufbauen! Massiv!

  • „Wenn dieses Risiko sich bestätigt, dann wäre die Bilanz zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen und den klimatischen Kosten negativ“

    Und wenn der wirtschaftliche Nutzen größer wäre, dann wäre es OK?