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Ungleichbehandlung durch geltendes AbstammungsrechtQueere Mütter klagen

Mit der Iniative „nodoption“ machen queere Mütter darauf aufmerksam, dass sie ihre eigenen Kinder adoptieren müssen. Jetzt gehen sie vor Gericht.

Eine typische Famile: lesbisches Paar mit Kind und Hund Foto: Meike Engels/imago-images

Berlin taz | Vor dem Amtsgericht in Tempelhof-Kreuzberg verteilt Christina Klitzsch-Eulenburg Regenbogenflaggen. Sie lächelt viel und unterhält sich mit Frauen, die wie sie Anträge einreichen – darauf, dass sie als rechtliche Eltern ihrer Kinder anerkannt werden.

Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) ist Klitzsch-Eulenburg nicht als Elternteil anerkannt, obwohl sie mit der Mutter ihres Kindes verheiratet ist. Klitzsch-Eulenburg hat mit anderen queeren Eltern die deutschlandweite Initiative „nodoption“ gegründet.

Bislang haben fünf Ehepaare in Berlin Klagen beim Familiengericht eingereicht, um die Ehefrau der Mutter als zweiten rechtlichen Elternteil ihrer in die Ehe hineingeborenen Kinder feststellen zu lassen. Sie folgen damit zwei Familien aus Hildesheim und Frankfurt. Weitere Klagen sind in Vorbereitung.

Gemeinsam mit der Rechtsanwältin Lucy Chebout folgen diese Familien einer strategischen Prozessführung. Das bedeutet, Mandant*innen und Rechtsanwält*innen tauschen sich untereinander aus und folgen einer gemeinsamen Strategie.

Bis in die höchste Instanz

Klitzsch-Eulenburg und ihre Frau Janina Eulenburg sind dazu entschlossen, ihre Klage bis an das Bundesverfassungsgericht zu bringen: „Es ist erstmal unwahrscheinlich, dass wir in erster Instanz recht bekommen“, sagt Klitzsch-Eulenburg. „Aber meine Frau und ich wollen auf jeden Fall bis in die letzte Instanz gehen.“

Hintergrund ist das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgeschriebene Abstammungrecht. § 1591 regelt die Mutterschaft: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“ Als die Ehe 2017 geöffnet wurde, wurde das Recht nicht reformiert. Ein Kind von zwei verheirateten Frauen hat damit nur einen rechtlichen Elternteil. Auch andere Geschlechter werden nicht erwähnt.

Bereits 2018 wurde vor dem Bundesgerichtshof erfolglos geklagt. Die Initiative „nodoption“ hat keinen Kontakt zu dieser Familie. Die Initiative weiß nicht, warum diese Familie nicht bis zum Bundesverfassungsgericht klagte.

Grundsatzentscheidung gewünscht

„Wir rollen das Thema nun im Wege der strategischen Prozessführung auf, um eine Grundsatzentscheidung zu bewirken“, sagt Rechtsanwältin Chebout. „Das geltende Abstammungsrecht verletzt die Grundrechte der Kinder und der Ehefrauen.“

Bevor die vier Familien ihre Klage einreichen, stellen sie sich zu einem Foto auf: Die Aktivist*innen breiten eine circa drei Meter lange Regenbogenflagge vor sich auf, Zwillingsmütter halten gemeinsam mit Klitzsch-Eulenburg ein Banner, auf dem „nodoption – Elternschaft anerkennen“ steht. Dazwischen schaukeln Mütter ihre Kinder im Tragetuch. Nachdem die Fotos fertig sind, schmeißen die vier Familien ihre Anträge in den Briefkasten des Amtsgerichts. Die anderen Aktivist*innen klatschen und jubeln.

Eine Klägerin, Marianne Greenwell, sagt: „Das nimmt das Ohnmachtsgefühl von mir. Bevor wir Leute kennengelernt haben, haben meine Frau Jane und ich uns so alleine gefühlt.“ Greenwell adoptiert parallel zur Klage ihr Kind Robin. Sie habe unterschätzt, wie sehr die Adoption sie emotional mitnehme. „Wir wussten, dass wir das machen müssen, aber es hat mich krass getroffen.“

Auf den angekündigten Gesetzesentwurf von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zum Thema wollen die Kläger*innen nicht warten. Rechtsanwältin Chebout sagt dazu: „Im Moment ist überhaupt nicht absehbar, ob aus der Ankündigung wirklich ein Gesetz wird. Den betroffenen Familien ist es nicht zumutbar, die diskriminierende Rechtslage noch länger hinzunehmen.“

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7 Kommentare

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  • Offensichtlich ist die selbst die eigene Sprachregelung kompliziert:

    "..queere Mütter darauf aufmerksam, dass sie ihre eigenen Kinder adoptieren müssen.."

    Das Kind ist durch eine Mutter geboren worden. Die andere Frau ist demnach nicht die Mutter, hat aber auch sonst keinen Anteil, ausser dass sie verheiratet sind.

    Lässt sich bestimmt alles regeln, aber die überbrachte Sprache erfasst eben die Veränderungen in Gesellschaft und Wissenschaft nicht so schnell.

    In ein paar Jahren wird es noch komplizierter, dann wenn nicht nur Spermienzelle und Eizelle verschmelzen, sondern auch Zellkerne, sogar Chromosomen ausgetaucht werden können. Dann gibt es auf einmal viel VatMute, denn die Rolle von Vater und Mutter lässt sich dann nicht separieren. Viel Spass.

  • Wie ist denn die Regelung, wenn der Ehemann nicht der leibliche Vater ist?



    Muss er auch zuerst das Kind adoptieren? Was ist an dem § 1591 falsch? Das verbietet jedoch nicht zwei Erziehungsberechtigte, der Vater wird ja dadurch auch nicht zur zweiten Mutter.

    • @Thomas Fluhr:

      Es geht um § 1592 Nr. 1 BGB, der die Vaterschaft regelt. Demnach erhält der Ehemann der Mutter den Status als Vater und damit das sog. große Sorgerecht, egal, ob er tatsächlich der leibliche Vater ist. Dies ist für Ehefrauen der Mutter nicht so, da bisher ungeregelt.

    • @Thomas Fluhr:

      Der Vater wird natürlich nicht zur zweiten Mutter. Aber die Ehefrau der Mutter kann natürlich nicht Vater des KIndes werden, dann gibt es zwei Mütter. Es ist auch durchaus gesetzlich möglich, dass es zwei Mütter gibt, aber eben nur durch die Adoption durch die Ehefrau - während der Ehemann der Mutter immer direkt als Vater anerkannt wird, egal ob leiblich oder nicht. Die Diskriminierung liegt also darin, dass lesbische Ehepaar zwangsläufig durch das Adoptionsverfahren müssen, während bei heterosexuellen Ehepaaren die Elternschaft beider dirkt gilt.

    • @Thomas Fluhr:

      Der Ehemann gilt automatisch als Vater. Ob er der leibliche Vater ist oder nicht ist dabei unerheblich

    • @Thomas Fluhr:

      Es geht darum, den Artikel zu ergänzen, nicht zu ersetzen. Das ist in der Tat in dem Artikel unglücklich dargestellt. Eher geht es darum, den zweiten Elternteil geschlechtsunabhängig anzuerkennen. Hier gibt es eine Menge Möglichkeiten. Die konservativste Möglichkeit, die sich dann aber zunächst nur auf Frauenpaare beziehen würde, die mittels Samenspende (denn hier gibt es dann keinen Vater, der gern das Sorgerecht hätte) ein Kind in ihrer Ehe bekommen, wäre es, so wie bei heterosexuellen Paaren auch, den*die Ehepartner*in der Mutter als zweiten rechtlichen Elternteil anzuerkennen.

      Bezüglich Ihrer ersten Frage: Vater eines Kindes ist immer der Mann der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war. Die Biologie interessiert hier das Gesetz zunächst nicht. Mann müsste in diesem Fall die Vaterschaft mittels Gentest nachweisen, wenn nicht der Ehemann der Mutter die Vaterschaft anfechtet - bzw. Beides.

  • Die aktuelle Rechtslage ist einfach nur Quatsch. Geschützt werden sollten ja die Kinder - und wenn die Ehefrau der Mutter nicht automatisch das Sorgerecht bekommt, steht das Kind im Zweifel alleine da. Was, wenn der leiblichen Mutter bei der Geburt etwas geschieht?