: An der Spitze ist es einsam
CDU-Landesparteichef Kai Wegner hätte als Spitzenkandidat einiges zu verlieren. Doch überzeugende Alternativen sind nicht in Sicht. Ebenso wenig wie mögliche Koalitionspartner
Auch die FDP wird an der Abgeordnetenhauswahl teilnehmen. Ob sie dafür einen Spitzenkandidaten braucht, sei dahingestellt. Spannender ist die Frage, ob die Partei überhaupt den Sprung über die Fünfprozenthürde schafft. Derzeit liegt sie laut Umfragen knapp darüber. Allerdings sinken ihre Werte in dieser Legislaturperiode kontinuierlich.
Im Wahlkampf 2016 und danach hat sich die FDP fast ausschließlich auf ein Thema konzentriert: die Offenhaltung des Flughafens Tegel. Trotz eines gewonnenen – aber nicht bindenden – Volksentscheids wird Tegel zum Zeitpunkt der nächsten Wahl bereits geschlossen sein.
Im Abgeordnetenhaus ist die FDP-Fraktion, inhaltlich positiniert irgendwo zwischen CDU und AfD, bestenfalls blass geblieben und nur durch einige Peinlichkeiten aufgefallen, etwa als ein Abgeordneter im Januar in einer Debatte über Klimaschutz einen Linken-Abgeordneten als „Klimafaschisten“ bezeichnete und von einem „Öko-Dschihad“ sprach. Die WählerInnen von ihrer Relevanz zu überzeugen dürfte den „Liberalen” nicht leicht fallen. (bis)
Von Stefan Alberti
Es ist zuletzt ein bisschen still geworden um die Berliner CDU. Mit einem überraschend anderen Ansatz in Sachen Umweltpolitik, einem unterhaltsamen Online-Parteitag und einem Logo-Wechsel samt einer digitalen Kampagne namens „#aufgehtsberlin“ hatten die Christdemokraten in der ersten Jahreshälfte trotz Corona noch ein paar Lebenszeichen geben können. Sogar „Guerilla-Aktionen“ hatte Generalsekretär Stefan Evers für die folgenden Monate angekündigt – doch falls es sie gegeben hat, haben sie jedenfalls bislang nicht für Aufmerksamkeit gesorgt. Und auch wenn die CDU weiter offenlässt, wann sie und wen zum Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl kürt – die Antwort darauf beschäftigt die Landespolitik weit weniger als die bei den Grünen anstehende Entscheidung zwischen Ramona Pop und Antje Kapek.
Zumal auch immer klarer zu sein scheint, dass Parteichef Kai Wegner selbst die Spitzenkandidatur übernehmen wird – beziehungsweise übernehmen muss. Klassischerweise hat die Partei drei Möglichkeiten: 1. jemand aus den eigenen Reihen, am naheliegendsten den Landesvorsitzenden, 2. ein Parteifreund von der Bundesebene oder 3. eine der CDU nahestehende „Persönlichkeit des öffentlichen Lebens“ – etwa ein erfolgreicher Unternehmer wie bei der Landtagswahl in Bremen 2019.
Von Variante 3 ist gar nichts zu hören, und dass Nummer 2 überhaupt immer mal wieder im Gespräch ist, liegt an der nostalgischen Erinnerung daran, dass es eben einmal so geklappt hat: Mit dem späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, vormals für die rheinland-pfälzische CDU im Bundestag, holte die CDU 1981 mit 48 Prozent ihr bis heute bestes Ergebnis bei der Berlinwahl und Weizsäcker wurde Regierender Bürgermeister.
Der zweite Versuch in diese Richtung fand eine Etage niedriger statt, als sich 2006 Friedbert Pflüger versuchte, vormals parlamentarischer Staatssekretär für Verteidigung – mit dem bis dahin schlechtesten CDU-Ergebnis aller Zeiten von 21 Prozent, noch weniger als nach dem Bankenskandal fünf Jahre zuvor. Das große Problem einer solchen externen Lösung besteht zudem darin, zu erklären, wieso ein 12.000 Mitglieder großer Landesverband in den eigenen Reihen niemanden für die Spitzenkandidatur findet.
Geht es letztlich doch über die berlininterne Variante und wird es Parteichef Wegner, dürfte er sich nicht um den Job gerissen haben. Denn auch wenn die Christdemokraten Chancen haben, im Sog ihrer Bundespartei wegen der zeitgleichen Bundestagswahl stärkste Kraft in Berlin zu werden: Der CDU fehlen bislang potente Koalitionspartner zum Regieren, und Rot-Rot-Grün hat trotz aller Probleme in allen Umfragen weiter eine Mehrheit. Wegner – derzeit baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – wäre dann zwar Fraktions- und Oppositionschef im Landesparlament, aber er wäre eben auch wieder dort, wo er vor seinem Wechsel in den Bundestag 2005 bereits sechs Jahren Abgeordneter war.
Eine führende Funktion in einer Regierungspartei auf Bundesebene mit Gestaltungsmöglichkeiten eintauschen gegen fünf Jahre Opposition in einem Landtag? Das wirkt nicht gerade reizvoll. Weiter im Bundestag zu schalten und zu walten und wie jetzt parallel als Landesparteichef die Berliner Dinge zu gestalten dürfte weit attraktiver sein.
Dass die Frauen in der CDU nicht laut nach der Spitzenkandidatur riefen, dürfte viel mit dem Schicksal von Wegners Vorgängerin an der Landesparteispitze zu tun haben, Kulturstaatsministerin Monika Grütters: Statt ihr den Rücken zu stärken, als Wegner 2019 den Landesvorsitz für sich forderte, schwenkte die Partei flugs auf ihn um.
So etwas mag sich vielleicht so schnell keine andere Christdemokratin antun.
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