Spielfilm „Jean Seberg“ im Kino: Ein Star im Visier des FBI
Der Spielfilm „Jean Seberg“ mit Kristen Stewart erzählt vom Engagement der Schauspielerin für die Black Panthers. Er setzt auf die Kraft der Dialoge.
Diese Zeilen treffen: „Wir müssen eine Waffe schwenken, um Aufmerksamkeit zu erregen …“, sagt der schwarze Bürgerrechtsaktivist Hakim Jamal (Anthony Mackie) zu der weißen Schauspielerin Jean Seberg (Kristen Stewart), „… Sie lassen sich die Haare schneiden, und schon sind Sie auf der Titelseite vom Life Magazine.“
Zu diesem Zeitpunkt sind Seberg und Jamal bereits heimlich ein Paar. Obwohl die Heimlichkeit relativ ist – Jamals Ehefrau ahnt das Verhältnis, und weit folgenreicher: Das FBI, das Jamals Wege seit Längerem beobachtet, war auf Sebergs Sympathie gegenüber der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der USA aufmerksam geworden – das reichte aus, um in ihrem auch heutzutage noch segregativen Heimatland als Gefahr für die Gesellschaft betrachtet zu werden.
Die US-Behörde beschloss, die Künstlerin zu überwachen. Sebergs daraus resultierende, verständliche Angst schlug bald in Paranoia um, verleumderische und hetzerische Presseberichte über Sebergs angebliche „Black Panther-Schwangerschaft“ führte, so erzählen es Film und Biograf*innen, zu einer Fehlgeburt. Seberg, die danach nie wieder in den USA arbeitete, brachte sich 1979 um – sie hatte bereits einige Suizidversuche hinter sich, immer am Todestag ihrer 1970 verlorenen Tochter.
Benedict Andrews’ partielles, mit den Ereignissen 1970 endendes Biopic über Jean Seberg, die mit Pixie-Kurzhaarschnitt und Charisma ein paar Jahre zuvor durch Jean-Luc Godards Nouvelle-Vague-Paradefilm „Außer Atem“ bekannt geworden war, setzt neben der Tragödie um die Schauspielerin auch das Verhältnis zwischen Geschlechtern und Hautfarben in Szene.
„Jean Seberg – Against All Enemies“. Regie Benedict Andrews. Mit Kristen Stewart, Jack O’Connell u. a. USA 2019, 102 Min.
Anhand verschiedener Beispiele scheint der Film Paarkonstellationen zu evaluieren: Jean und ihr französischer Ehemann, der Schriftsteller Romain Gary (Yvan Attal) führen eine problematische, aber respektvolle, bemüht konsensuelle, offene Beziehung – Gary ist der Vater des gemeinsamen Sohnes und bleibt auch nach Sebergs Schwangerschaft von einem anderen (nicht Jamal) als Freund an ihrer Seite. Der FBI-Agent und Abhörspezialist Jack (Jack O’Connell), der Seberg zunächst verwanzt und dann aufgrund der Konsequenzen Skrupel bekommt, scheitert an den Forderungen seiner Frau Linette (Margaret Qualley) nach Gleichberechtigung.
Die Revolution braucht Filmstars
Bitter gespiegelt wird alles von Jacks Vorgesetztem Carl (Vince Vaughn), der bei einem Abendessen seine Familie mit der gleichen patriarchalen Selbstverständlichkeit herunterputzt, die sich in seinem Umgang mit einer zu observierenden Person zeigt. „Du redest nicht mehr mit deinem Sohn?“, wird Carl von seinem Kollegen gefragt. „Glaub mir, wir haben so viel geredet, dass ich mir fast die Fingerknöchel gebrochen habe“, antwortet der, kurz bevor er seiner Tochter das Besteck ins Gesicht wirft.
Und Jamals Frau (Zazie Beetz) ist wütend, aber ohnmächtig gegenüber der Philanderie ihres Mannes – „the Revolution needs movie stars“, sagt sie zu Jean.
Jean, die Stewart mit den passenden Anteilen Verletzlichkeit, Mut und Verzweiflung spielt, bleibt jedenfalls allein – schon früh in der Geschichte lässt sie Sohn und Mann in Paris hinter sich, um in Hollywood zu drehen, und wandert ruhelos durch ihr elegantes 60s-Domizil, angetrieben von Whiskey und der Frage, inwiefern ihr Beruf die Welt mitgestaltet: „Ein Westernmusical ist belanglos“, hatte sie vorher zu ihrem Manager Walt (Stephen Root) gesagt, „ich will etwas bewegen!“
Zitierfähige Sprüche in den Mund gelegt
Regisseur Andrews, der viel von Sebergs Zerrissenheit subtil durch den Soundtrack mit Scott Walker, David Crosby und Nina Simone ausdrückt, macht (trotz eines bezaubernden Kostümbilds und eines ebensolchen Setdesigns) seine Dialoge wirkmächtiger als die soliden Bilder: Seinen Protagonist*innen hat er gemeinsam mit den Drehbuchautor*innen Joe Shrapnel und Anna Waterhouse zitierfähige Sprüche in den Mund gelegt, die mühelos eine zweite Ebene berühren.
Vor allem Jamal stellt er als belesenen und redegewandten Mann dar: „If you can change one mind, you can change the world“, sagt dieser in leichter Abwandlung eines Zitats des Philosophen William James zu Jean. Und dass in einer von Sebergs Einsamkeitsszenen der düstere Song „Blood of an American“ des weißen Countrysängers Bobby Wright läuft, ist doppelt aussagekräftig: „Bobby E. Wright“ ist auch der Name eines schwarzen Politaktivisten und Wissenschaftlers, der die psychologischen Dimensionen von Rassismus erforschte.
Empfohlener externer Inhalt
Trailer „Jean Seberg“
Das angesprochene Westernmusical („Paint Your Wagon“) hat Seberg übrigens dennoch gedreht – im Film ist es eine anstrengende Erfahrung. Aber es stellte beileibe nicht das erste nachhaltige Trauma in ihrem Beruf dar: Ihren Debütfilm „Die heilige Johanna“ machte Seberg mit 18 Jahren. Unter der Regie von Otto Preminger stellte sie sich auf einen Scheiterhaufen, und wurde, ungeplant, kurz von den Flammen erfasst. Die Brandnarben trug sie Zeit ihres Lebens – ihre angstvolle Geste in der fertigen Fassung ist somit authentisch.
„Woher stammen die?“, will ihr Liebhaber Jamal in „Jean Seberg“ angesichts der Wundmale wissen. „Ein Mann hat mich auf einen Scheiterhaufen gestellt und angezündet“, antwortet sie. Dabei ging die echte Hexenjagd auf Jean Seberg damals gerade erst los.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!