piwik no script img

In Berlin beginnt wieder die SchuleMit Abstand und ein bisschen Maske

Ab Montag können mehr als 335.000 SchülerInnen wieder (fast) normal in die Schule gehen. Welche Vorgaben gibt es? Die taz klärt auf.

Nicht ohne meine Maske: so wird der Alltag in Berliner Schulen aussehen Foto: picture alliance/dpa

Berlin taz | Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres rechnet wegen der Corona-Krise mit einem schwierigen neuen Schuljahr – das beginnt am 10. August. In Schulgebäuden gilt eine Maskenpflicht für Schüler und Lehrer, allerdings nicht während des Unterrichts. Ein Mindestabstand von 1,5 Metern ist nur im Lehrerzimmer einzuhalten. Wie soll das alles gehen? Die taz klärt auf:

Die Schule beginnt wieder: Hurra!?

Tatsächlich dürfte die Freude über den Schulbeginn diesmal größer ausfallen als sonst. Schließlich konnten viele SchülerInnen seit Mitte März wegen der Corona-Auflagen nur sporadisch zur Schule gehen und wurden mehr oder weniger erfolgreich zum Homeschooling verdonnert. Und dass nun der Schulalltag fast wieder normal verlaufen soll, hätte Mitte Mai auch keiner erwartet. Allerdings gibt es auch viele Kinder, die deswegen Angst vor einer Ansteckung in der Schule haben.

Aber SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres hat doch eine Maskenpflicht eingeführt.

Maskenregelung träfe es besser. Eine „Mund-Nase-Bedeckung“ muss in Begegnungszonen getragen werden, etwa auf Gängen, aber nicht während des Unterrichts und nicht auf dem Schulhof – anders als etwa in Nordrhein-Westfalen.

Mit welcher Begründung?

Laut Scheeres „nach Rücksprache mit Virologen“, wie sie am Dienstag vor Journalisten erklärte. Andere Wissenschaftler halten das für falsch. Etwa der TU-Forscher Martin Kriegel, der die Ausbreitung von Aerosolen untersucht, die das Virus verbreiten können. „Ich verstehe die Entscheidung nicht, auf Masken und Abstand zu verzichten“, hatte er der taz gesagt.

Und die Abstandsregel von 1,5 Meter gilt in Klassenzimmern auch nicht?

Nein, sonst wäre die Rückkehr zum Regelbetrieb ohne geteilte Klassen mit all ihren Folgen gar nicht möglich. Das ist übrigens bundesweit so. Im Lehrerzimmer hingegen muss der Abstand eingehalten werden.

Wie soll die Übertragung des Virus verhindert werden?

Jede Schule hat einen eigenen Hygieneplan, der etwa das regelmäßige Reinigen der Hände vorschreibt. Zudem sieht der landesweite Musterhygieneplan vor, dass „mindestens einmal in jeder Unterrichtsstunde sowie in jeder Pause“ gelüftet werden soll. Und zwar grundlegend, mehrere Minuten, durch vollständig geöffnete Fenster und mittels Durchzug.

Und das reicht?

Das ist umstritten. Laut TU-Forscher Kriegel müsste mindestens 10 bis 15 Minuten gelüftet werden; eine Verkürzung der Unterrichtsstunde und Verlängerung der Lüftungspausen hat Scheeres aber abgelehnt.

Wenn Eltern Angst haben, ihre Kinder unter diesen Bedingungen zur Schule zu schicken – dürfen die SchülerInnen dann zu Hause bleiben?

„Grundsätzlich gilt die Schulpflicht“, hat die Senatorin am Dienstag erneut betont. Wer aber schwere Vorerkrankungen hat wie etwa Asthma oder Krebs und diese nachweist, muss nicht in die Schule kommen und wird anders unterrichtet, zum Beispiel einzeln von Lehrkräften, die ebenfalls als gefährdet gelten – etwa 7 Prozent gehören in diese Kategorie –, und nicht in Klassen unterrichten.

Was ist mit SchülerInnen, die schlicht keine Mund-Nase-Bedeckung tragen wollen. Werden die nach Hause geschickt?

Laut Scheeres soll erst mit ihnen, dann notfalls auch mit deren Eltern gesprochen und an ihr Verantwortungsgefühl für andere appelliert werden.

Dürfen Kinder mit Schnupfen in die Schule?

Ja, solange es sich um eine leichte Erkältung handelt, brauchen sie dafür auch kein Attest eines Kinderarztes.

Derzeit sieht es ja so aus, als würden sich die Infektionszahlen insgesamt eher verschlechtern. Wie lange gelten die aktuellen Vorgaben der Bildungsverwaltung?

Das ist unklar. Scheeres geht davon aus, dass „wir uns vielleicht das ganze Schuljahr mit der Coronapandemie auseinandersetzen müssen“. Sollten sich die Zahlen verschlechtern, soll ein Plan B greifen. Der sieht keine pauschalen Schulschließungen vor, sondern eine Mischung aus Präsenzunterricht und Homeschooling sowie eine Halbierung der Klassen. Anders als bisher stellt die Schulverwaltung klare Vorgaben auf, wie viel unterrichtet werden muss und dass sich Lehrkräfte mindestens zweimal die Woche bei jede/r SchülerIn melden müssen.

Was ist mit SchülerInnen, die 2021 Abschlussprüfungen machen und viel Unterrichtsstoff versäumt haben?

Beim Inhalt der Abiturprüfungen kommt ihnen die Bildungsverwaltung entgegen: In den Grund- und Leistungskursen werde es mindestens eine Aufgabe mit Bezug auf das erste Kurshalbjahr geben. Beim Mittleren Schulabschluss nach der 10. Klasse sollen sie mehr Auswahl bei den Aufgaben haben.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Uns steht ein bestenfalls sehr spannender Winter bevor, die Eindämmung des Virus wird merklich schwieriger werden, wenn viele Menschen jahreszeitlich bedingt Symptome zeigen und generell weniger Zeit im Freien verbracht wird.

    Mittlerweile ist auch die schauerliche Vorstellung so gut wie entkräftet, dass eine natürliche Herdenimmunität unverhältnismäßig lange dauern würde.



    Siehe die aktuelle Studie der Karolinska Universität bzgl T-Zellen-Immunität (30% der Schweden hatten wohl bereits Kontakt zu Covid-19)

    "so gut wie entkräftet" weil die Studie noch nicht durch das Peer-Review durch ist, die Studie ist so weit mir bekannt die erste, die auf Sars-CoV2-spezifische T-Zellen untersucht hat und hat herausgefunden, dass diese Immunität vorhanden ist, auch wenn nur noch minimale oder keine Antikörper mehr vorhanden sind

    sollten bei der Erhebung dieser Daten keine methodischen Fehler gemacht worden sein (wie gesagt, Peer Review ist noch nicht durch), dann läge die anzunehmende Letalität durch Sars-CoV2 nicht bei 0,3-0,5% (wie aufgrund der Antikörperscreenings gedacht, z.B. Heinsberg-Studie), sondern bei 0,2%

    und diese 0,2% stammen aus Zeiten, in denen weniger über das Virus bekannt war als jetzt, Patienten teils viel zu früh intubiert wurden, die Sterblichkeit reduzierende Anwendung von Dexamethason noch nicht bekannt war usw.

    Fazit: Die Letalität von Sars-CoV2 ist im Bereich einer schweren Grippewelle.



    Peer-Review der Studie abwarten, dann sinnvolle Entscheidungen treffen, bitte

    #flattenthecurve ja, Lockdowns, Schul- und KiTa-Schließungen wären beim jetzt bekannten Faktenstand (Peer-Review noch abwarten) defintiv nicht mehr begründbar



    Risikogruppen schützen und diese so bald möglich impfen

  • In Schulen existiert ein hohes Potential an Verstand, das es ermöglicht, durch persönliches Verhalten den Reproduktionsfaktor weit unter 1 zu drücken. Dazu gehört aber ein Verständnis des Infektionsprozesses, der Kenntnis der wahrscheinlichen Inkubationsdauern und sinnvollen Verhaltens, um Covid19 ohne schwerwiegende Maßnahmen bekämpfen zu können. Maßnahmen von "oben" kommen nämlich erst nach Wochen, also viel zu spät. Der ganze Infektionsablauf bis zu den ersten Symptomen ist meist schon innerhalb einer Woche abgelaufen.Jeder kann persönlich am besten abschätzen, wann er sich infiziert haben könnte und kann sich dann am dritten, vierten und fünften Tag danach zurückhalten und auf Abstand achten. Schwerpunkt: vierter Tag.



    Kommt es zur Infektion, bitte volle Quarantänedauer. 14 Tage sind dann vorgeschrieben. Ohne jegliche Kontakte kann auch eine Woche genügen. Dazu gibt es Regeln und Meldepflicht ohnehin.



    Ich bin der Meinung, mit Verstand müssen wir nicht unsere Wirtschaft gegen die Wand fahren.



    Ich wehre mich gegen die Behauptung, dass das "Volk" doof sei und nicht zu den Denkleistungen fähig sei, die schon die alten Athener beherrschten,

  • Was in diesem Beitrag fehlt, ist der Hinweis, dass Schulen die Regeln durchaus verschärfen dürfen; das, was Scheeres verkündet hat, ist lediglich das Allermindeste.

    Aufgrund der medizinisch fehlenden Logik der Vorgaben des berliner Senats hat unsere Schule beispielsweise zumindest bis Ende August eine Maskenpflicht auch im Unterricht beschlossen, da die 1,50 m Abstand im Klassenraum nicht annähern eingehalten werden können.