Kommentar von Kaija Kutter zum Schulstart: Ohne Durchzug keine Schule
Seit 22 Wochen gibt es in Hamburg keine reguläre Schule. Die Mehrheit der Kinder war zuletzt nur mal für einen Tag die Woche dort. Laut einer Studie der Uniklinik Eppendorf haben zwei von drei Kindern ein geringeres psychisches Wohlbefinden. Laut einer weiteren Studie ist die Internetsucht gestiegen. Keine Frage: Die Schulen müssen öffnen.
Um das „Wie“ kann man streiten. Die Kultusminister einigten sich, die 1,5-Meter-Abstandsregel im Klassenraum aufzuheben. Das ermöglicht allen Kindern den echten Unterricht. Sie treffen ihre Freunde, erhalten Alltagsstruktur. Gut für das Kindeswohl.
Und nun kommt mit leicht steigenden Zahlen die Sorge vor Ansteckung wieder ins Spiel. Die ist ernst zu nehmen. Gerade zum Ferienende, wo Familien aus Risikoländern heimkommen, sollte ein sanfter Einstieg in den Regelbetrieb gewählt werden. Die Warnung an Eltern, sie müssten wegen der Quarantäne tunlichst 14 Tage vorher zurück sein, kam erst kurz vor den Ferien. Manch einer verstand das gar nicht. Drum sollten Spät-Heimkehrer nicht als „Schulschwänzer“ beschimpft, sondern freundlich mit Lernstoff für die Quarantäne versorgt werden.
Nicht die 100-Prozent-Einhaltung von Regeln und Stundenplänen ist wichtig, sondern Pragmatismus. In Schleswig-Holstein sieht der so aus: Für die ersten 14 Tage nach Ferienende gilt Maskenpflicht im Unterricht. Das ist, wie die Hamburger Schulbehörde sagt, für Schüler belastend. Baden-Württemberg stellt Eltern frei, ihr Kind weiter aus der Ferne mitlernen zu lassen.
In Hamburg bringen Eltern nun die Halbierung von Klassen in Kombination mit Fernlernen ins Spiel. Wo aber Rabe recht hat: Homeschooling ist latent ungerecht. Dies taugt nur als Plan B oder C, falls die Infektionen steigen. Oder Plan A, falls sich in einer Klasse mit 26 Schülern nicht mal Durchzug herstellen lässt.
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