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Altern und VerfallserscheinungenVon Abscheu und Abschied

Im Alter siegt die Bequemlichkeit. Das zeigt sich beim Regenschirm, der Platzreservierung im Zug oder der Sonnenbrille mit Gleitsicht.

Du siehst aus, wie ich mich fühle: Giraffenbulle im Zoo Foto: Roland Weihrauch/dpa

Alter essen Würde auf“, beschreibe ich auf Instagram ein Foto meiner aktuellen Neuerwerbung: ein ambulant zusammensteckbares Campingstühlchen mit Bierdosenhalter und, wie es aussieht, integrierter Windelfunktion, auf dem ich nun sommers bequem sitzend auf den Badesee vor mir blicke. „Bequemlichkeit essen Scham auf“, könnte man genauso sagen.

Dasselbe gilt grundsätzlich für den Regenschirm, die Platzreservierung im Zug, die Sonnenbrille mit Gleitsicht. Noch weit über die üblichen Steh-, Seh- und Gehhilfen hinaus wird in der Andropause externe Unterstützungstechnik zur wichtigsten Waffe im verzweifelten Abwehrkampf gegen die nachlassenden Körperfunktionen – meine persönliche Kesselschlacht von Halbe, absehbar auch mit dem gleichen Ergebnis.

Ein Campingstuhlnazi. Ich. Mein ganzes bisheriges Leben lang habe ich solche Menschen abgrundtief verachtet. Ich habe sie verspottet, aber auch gefürchtet als Boten der Barbarei.

Solange Menschen ihre Möbel in die Natur schleppen, ohne obdachlos zu sein, steht die Zivilisation auf ebenso wackeligen Beinchen wie ein Campingtisch – davon war ich immer überzeugt.

Eine ganz andere Welt

Andropause

Der alternde Mann hat es weniger leicht, als viele denken. Die Hormone spielen verrückt, der Andropausen­clown versteht die Welt nicht mehr. Die Frau ist weg, und sein bester Freund ist der Urologe. Alle Folgen der Kolumne "Andropause" gibt's hier.

Und ein kleiner Teil von mir denkt das im Grunde immer noch. Ich bin ja ein vergleichsweise frischgebackener Andropausenclown. Das Loslassen ist ein schmerzhafter Prozess. Hinter mir ist die Ruine der Brücke zur Insel der Jugend noch gut zu erkennen, obwohl sie unwiederbringlich abgerissen ist.

Ich kann mich noch immer mit den Augen der Jüngeren sehen, teile ihren ungläubigen Blick, der erst von Abscheu und dann von Abschied kündet: Ein Mensch, in diesem Fall ich, hat die Gesellschaft, zumindest ihre Gesellschaft, für immer verlassen, um seine jahrzehntelange Sterbephase einzuläuten. Er ist nun in einer ganz anderen Welt, flüstern sie einander zu, eine Campingstuhlwelt, die wir nicht verstehen können. Wir kennen ihn nicht mehr.

Aber wenn die wüssten! Denn von einem Badetuch komme ich einfach nicht mehr schnell genug hoch, im schlimmsten Fall gar nicht. Vor wenigen Jahren hatte ein ebenfalls älterer Giraffenbulle im Dortmunder Zoo beim vergeblichen Versuch aufzustehen einen solchen Krampf bekommen, dass er in der Folge an Kreislaufversagen einging.

Und was die Jungen oft nicht wissen: Meine Generation ist ja darauf gedrillt, jederzeit unverzüglich hochzuschnellen – Stubenappell, ABC-Alarm oder eine Dame, die den Raum betritt und der man die Hand küssen muss – das ist eminent wichtig.

„Kommst du mit ins Wasser, Herr Hannemann“, fragt mein Urologe Zbigniew, mit dem ich diesen schönen Spätsommertag hier am See verbringe.

„Ich komme“, antworte ich und wuchte mich aus dem Campingstuhl hoch. Selbst das ist schon mühsam genug.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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9 Kommentare

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  • Bei meinem ersten Auto, Baujahr 66 konnte die rechte Tür nur von außen geöffnet werden. Gisela, angetan mit dem damals üblichen Protest-Palästinensertuch, fand es aber schon 1979 galant, wenn ich um den Wagen herumeilte, um ihr die Tür zu öffnen. Soweit zur Bequemlichkeit auch in jungen Jahren. Und, ja, mit annähernd sechzig und dem Beginn der wohl unvermeidlichen Zipperleins, muß und will ich nicht mehr auf Luftmatratzen nächtigen und bin auch froh, wenn mir der aufmerksame Kellner alles bringt. Bei Umzügen helfen tu ich schon seit Jahren nicht mehr und da ein guter Freund gleichen Alters kürzlich die Löffel abgeben mußte, steht Lebensqualität, meine, an ziemlich erster Stelle. Asta la Vista.

    • @Thomas Schöffel:

      …;) - oder tel a viv - wie die Franzosen sagen.

      ps für die Modderatistas - Kettensägen -



      Und gleich nen fröhlich zustimmenden



      Kommentar mit Abholzen! Geht’s noch?

      kurz - Soo heiß isses ja nu wirklich nicht mehr - wa! - 👻 -



      Einfach mal sich an die eigene Nettikette halten & die beleidigte Streichwurst im Kühlschrank lassen! Gellewelle. - 🥳 -



      &



      Besser is das. Newahr.



      Normal Schonn - kerr.

      • @Lowandorder:

        Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - weiß näheres - 👻 -

        “ Komisch, hier isser noch: taz.de/!ku912/ Die Webdesigner üben wieder?“



        Oder - Hitzeschaden? Who knows?

      • @Lowandorder:

        Was wollen wir mir sagen? Normalsprechewelle? Oder wollknoll perl dichdocht och woch?

        • @Thomas Schöffel:

          Mit annähernd 60 - wie ich lese - könntense doch schon den zustimmenden!! Witz eines älteren Herrn*45 - via - C'est la vie - verstanden haben. Gellewelle?!



          Auch liegt doch in Ihrer Gegend das Französ deutlich näher als im Hohen Norden. Wollnichwoll.



          &



          —- servíce —



          &btw - Der Rest - ps - …



          Ist wie naheliegend - doch nicht für Sie.



          Nö. Für die Modderatistas & Cie.

  • Däh&Zisch Mailtütenfrisch entscheid'nit



    “ Fass Ade

    Wenn ich durch taz-online sause,

    denk ich: "Hat das Denken Pause?

    Ist hier jetzt Boulevard zu Hause?"

    Der Uli zeigt uns seine Stirn, die krause.

    Liegt das an der Andropause?

    Hier gilt, wie auch bei AOC:

    Einen schönen Menschen kann nichts entstellen -

    außer eine Schönheits-OP

    Pseudopolitisch dekonstruiert

    werden Leser:innen desinformiert

    Außen wirkt alles frisch renoviert.

    Welche(r) von den Beiden?

    Konnte mich nicht entscheiden.

    taz.de/Vogue-Schmi...-von-AOC/!5704350/

    taz.de/Altern-und-...einungen/!5704464/ “



    kurz - So bleibts halt mal offen - 🐸 -

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt nach -

      “ Ade Ade. Nachklapp für Uli.







      Schwimmen ist ja eine gute Möglichkeitn, wenn die ".. Ruine der Brücke zur Insel der Jugend noch gut zu erkennen, obwohl sie unwiederbringlich abgerissen ist."



      (Der Steg ist das Ziel.)



      Als Rückenschwimmer sich zu Goethe gesellen: "Den Himmel über mir und unter mir die Wellen."



      www.deutschestexta..._faust01_1808?p=78

      kurz - Kannmann gern nähmen.



      Als das öde Meer der Tränen.

  • Ja wie? Der Uliiii!

    Weiß ja nicht was der Uli vorher!! so oder auch nicht - Getrieben hat. Newahr.



    Vor! “ Im mittleren Alter fällt bei Männern der Testosteronspiegel. Das kann sich negativ auswirken, etwa durch Müdigkeit, Übergewicht oder nachlassende Libido. Analog zur weiblichen Menopause wird diese Veränderung mitunter als "Andropause" oder "Klimakterium virile" bezeichnet.“ Ah ha - 👻 -

    Das is nun mir irgendwann & unbemerkt - aber alllang lang her.



    Nur. Noch immer nix mit sojet - Volltränenmitleidtour.

    unterm—— Harry Rowohlt hat einst mal Will Winkler ein eingeschenkt!



    & dabei pausenlos in der Box das Lied gedrückt:



    “Der Willi ist eine tragische Figur“ (leider nich mehr auffindbar;(



    Nú. Wechselst du - W mit U - Wird draus ein Schuh - 🥳 -



    & Däh - Nehmer - “Who the fuck is Ulli“ - Aach scheen - 😂 -



    m.youtube.com/watch?v=rT5ldUL9FUA

    Na Servus