Staatliche Coronahilfe: Stütze für Millionen
Das Kurzarbeitergeld soll auf 24 Monate verlängert werden. In der Kasse der Arbeitslosenversicherung fehlen dadurch Milliarden Euro.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Montag gegenüber NDR Info zuversichtlich, dass man die Verlängerung „hinbekomme“. Scholz ist versiert in dem Thema: Vor mehr als zehn Jahren hatte er als damaliger Arbeitsminister in der Finanzkrise erfolgreich für eine Verlängerung der Höchstbezugsdauer des Kurzarbeitergelds gestritten.
Damals rettete die Sozialleistung Millionen von Arbeitsplätzen und war mit ein Grund dafür, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 nicht dramatisch einbrach. In den Jahren danach galt Deutschland als eine Art Beschäftigungswunder, auf das die europäischen Nachbarstaaten neidisch blickten.
Allerdings hatte die Kurzarbeit damals eine andere Dimension: Im Mai 2009 waren rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland in Kurzarbeit. Im Mai 2020 hingegen bezogen 6,7 Millionen Menschen Kurzarbeitergeld, für den Juni geht die Bundesagentur für Arbeit von 4,5 Millionen Menschen aus, die die Leistung beziehen.
Kurzarbeit mit Weiterbildung verbinden
Die Sonderregelungen in der Coronakrise sehen vor, das Kurzarbeitergeld bei längerer Bezugsdauer auf eine Höhe von bis zu 87 Prozent des entgangenen Nettolohnes aufzustocken. Auch die Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitgeber werden dabei von der Bundesagentur übernommen. Normalerweise beträgt das Kurzarbeitergeld nur 60 Prozent (Kinderlose), beziehungsweise 67 Prozent des entgangenen Nettolohnes.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schlägt laut Medienberichten vor, die Aufstockung des regulären Kurzarbeitergelds und die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge bis März 2022 zu verlängern, wobei die Übernahme der Sozialbeiträge ab April 2021 davon abhängig gemacht werden soll, dass die Unternehmen ihre MitarbeiterInnen in der Zeit weiterbilden.
Auch nach dem Willen der Union soll die Kurzarbeit mit Weiterbildung verbunden werden. Die Unionsfraktion ist zu einer Verlängerung des Kurzarbeitergelds bereit, wenn die Voraussetzungen verschärft werden. Die Aufstockung des Kurzarbeitergelds auf bis zu 87 Prozent müsse „auf das alte Niveau zurückgefahren werden“, sagte Union-Fraktionsvize Carsten Linnemann der Rheinischen Post, „jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir das Geld nicht mehr mit vollen Händen ausgeben können“.
Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Gewerkschaften sind für eine Verlängerung der Bezugsdauer mit den Sonderregelungen. Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) warnt allerdings vor „Breitbandanwendungen“ des Kurzarbeitergelds. Die Lage der Betriebe werde im Zuge der Konjunkturerholung „differenzierter“.
Die Kasse der Bundesagentur für Arbeit leert sich
Wegen der hohen Zahlungen für Kurzarbeitergeld, mehr Arbeitslosengeld und den entsprechenden Sozialleistungen in der Coronakrise leert sich die Kasse der Bundesagentur für Arbeit. Vorstandschef Detlef Scheele hat bereits ein Haushaltsdefizit der Bundesagentur von 30 Milliarden Euro für das Jahr 2020 angekündigt und hält auch ein Defizit im Jahr 2021 für möglich. Rutscht der Haushalt der Bundesagentur ins Minus, muss die Bundesregierung mit einem Zuschuss oder Darlehen einspringen. Aus dem Haushalt der Bundesagentur werden auch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bezahlt.
Angesprochen auf die Debatte über den Missbrauch der Staatshilfe sagte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit der taz, zu Beginn der Coronakrise habe man „schnell und flexibel“ reagieren müssen. Jetzt aber schaue man „genauestens hin“. Kurzarbeitergeld werde vorläufig bewilligt und ausgezahlt. Bei einer Abschlussprüfung würden dann „noch einmal alle eingereichten Belege genau überprüft“. Seit Jahresbeginn gebe es etwa 1.516 Hinweise auf Betrugsverdacht. (mit dpa)
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen