Reihe „Landkrimi“ im ZDF: Echte Menschen und derbe Sprüche
Die österreichische Autorin Sarah Wassermair schreibt mit an der ZDF-Reihe „Landkrimi“ (Montag, 20.15 Uhr). Die schaut nicht nur auf den Kriminalfall.
Die Kamera fliegt nächtens über den Zeller See, schwebt hinauf zur Terrasse des fiktiven „Grand Hotels“, durch mehrere Etagen der noblen Herberge, verlässt diese vorn durch den Haupteingang – und spätestens jetzt heißt es aufpassen, denn am Folgenden werden die Ermittler noch zu knabbern haben.
Auf den Salzburger Kommissar Martin Merana (Manuel Rubey) und Postenkommandantin Franziska Heilmayr (Stefanie Reinsperger) wartet die Aufgabe, die letzten Stunden im Leben des Escortgirls Irene zu rekonstruieren. Merana hat schnell einen Verdächtigen zur Hand – ausgerechnet den Bruder (Wolfgang Rauh) von Heilmayrs Freundin Annie Lichtauer (Andrea Wenzl). Annie ist eigentlich sogar ihre Lebensgefährtin, aber das traut sich Heilmayr noch immer nicht offen zu sagen. Verständlich, wenn die eigene Mutter ein lesbisches Outing im Bekanntenkreis mit den Worten kommentiert, da müsse man sich als Mutter doch fragen, was man falsch gemacht habe.
„Das dunkle Paradies“ ist nach „Drachenjungfrau“ aus dem Jahr 2016 der zweite Fall für Heilmayr und Merana innerhalb der ORF-Reihe „Landkrimi“. Die Österreicherin Sarah Wassermair, gemeinsam mit Regisseurin Catalina Molina Autorin der Fortsetzung, erklärt das Konzept: „Es geht bei den Landkrimis weniger um den Kriminalfall an sich als um jeweils eine bestimmte Gegend und ihre Menschen. Das macht ein Erzählen möglich, das sich stark auf die Charaktere konzentriert – was mir sehr zusagt.“
Der „Landkrimi“ ist eine Koproduktion mit dem ZDF, so wie die Vorabendserie „Soko Donau“, für die Wassermair, meist im Team mit Jacob Groll, ebenfalls schreibt. Im „Landkrimi“ gehört das österreichische Idiom quasi zur Marke. Aber, so Wassermair, in Sachen Sprache „wird viel diskutiert und abgewogen“. Die eine oder andere österreichische Redensart ist für deutsche Ohren sicherlich gewöhnungsbedürftig, vor allem derbe Sprüche wie „Geh scheißen“. „Hab ich aber schon mal in einem ‚Soko‘ verwenden dürfen, soweit ich mich erinnere“, sagt Wassermair.
„Darf ich deinen Mafiaboss umbringen?“
Das Personal der auch im Ausland erfolgreichen „Soko Donau“ stammt nicht aus ihrer eigenen Feder, aber: „Ich nähere mich den Serienfiguren wie den meisten Dingen in meinem Leben, nämlich mit einer gewissen Obsession.“ Trotz der episodischen Struktur sind inhaltliche Verschränkungen möglich. Ein Beispiel: „Ich habe durchaus schon einmal einen Kollegen angerufen und gesagt: 'Hey, du hast da neulich diesen gloriosen Mafiaboss erfunden. Darf ich den bitte umbringen?’“ Größere Entwicklungslinien werden einmal jährlich bei gemeinsamen Treffen der Drehbuchautor*innen besprochen.
Die touristische Kulisse in „Das dunkle Paradies“ lässt es zu, den Mord in eine politische Affäre auf höchster Ebene einzubetten. Eine vage motivliche Verwandtschaft mit der gerade bei 3sat und auf Anixe wiederholten Thrillerserie „Janus“, mit der Wassermair gemeinsam mit Jacob Groll 2013 im ORF debütierte.
Aus althergebrachten Formen ausbrechen
Ein Glücksfall für die damals, so Wassermair, „noch unerprobten Jungautoren“, zu verdanken der damaligen ORF-Serienredakteurin Katharina Schenk: „Wir hatten über die Gerüchteküche gehört, dass sie neue Formate sucht, und sind einfach dreist bei ihr vorstellig geworden. Wir haben schnell gemerkt, dass uns da jemand gegenübersitzt, der willens ist, aus den althergebrachten Formen auszubrechen, und bei der wir freier erzählen können. Das war ein großes Geschenk.“
Selbst in den USA wurde man auf „Janus“ aufmerksam, allerdings blieb es bislang bei dem Entwurf für eine Pilotfolge. Aktuell arbeitet Sarah Wassermair am Skript für einen Kinofilm, ein Herzensprojekt“: „eine Kinderbuchverfilmung, die ich sehr liebe, und mit der ich auch noch einige Zeit beschäftigt sein werde“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht