: Mühen des Recyclens
Der Plastikmüll, der um die Welt reist, stammt vor allem aus der Industrie. Die privaten Wertstoffabfälle aus den Gelben Säcken und Tonnen werden fast alle heimisch verwertet. Oft bedeutet das allerdings nur: Sie werden verbrannt
Von Marco Carini
Der Handel mit Plastikabfall boomt. Unter dem Label Recycling werden ausgediente Kunststoffe um die halbe Welt verschifft – um schließlich nicht selten illegal auf wilden Deponien abgelagert oder illegal verbrannt zu werden – mit den entsprechenden Giftemissionen in Luft und Boden. „Die Mehrzahl der hiesigen Verwertungsbetriebe arbeitet illegal“, betont etwa der malaysische Greenpeace-Sprecher Heng Kiah Chun.
Doch immer mehr Länder der Asean-Gruppe (Association of South East Asian Nations) wehren sich gegen gestiegene Plastik-Importe und die damit verbundene Verschmutzung ihrer Umwelt. Anfang 2018 trat zuerst China auf die Bremse und verbot den Import von Kunststoffabfällen. Die Folge: Der weltweite Export von Plastikabfällen nach Malaysia, Thailand, Vietnam und Indonesien stieg binnen eines Jahres um rund 170 Prozent. Und auch die Türkei gehört in den vergangenen Jahren immer stärker zu den Abnehmern von Kunststoffabfällen Made in Germany.
Doch hierbei handelt es sich zum Großteil um Gewerbemüll, Produktionsabfälle und Altkunststoffe aus der Bauwirtschaft, nur selten um Chargen, die die Haushalte in den Gelben Säcken und Wertstofftonnen sammeln. Die bleiben schon heute zumeist im Lande. Rund 90 Prozent dieser Abfälle wurden laut Angaben der „Zentralen Stelle Verpackungsregister“ 2019 innerhalb Deutschlands verwertet und etwa zehn Prozent exportiert.
So werden etwa die in Braunschweig in der Gelben Tonne gesammelten Wertstoffe vor Ort – in der Sortieranlage der Alba Recycling GmbH in Braunschweig-Watenbüttel – gemeinsam mit Wertstoffen aus anderen Kommunen sortiert. Die Anlage trennt Weißblech, Aluminium, verschiedene Kunststoffe, Ersatzbrennstoffe und Getränkekartons. Die sortierten Fraktionen werden in Ballen gepresst, die dann an Verwertungsanlagen weitergegeben werden.
Auf die Frage, wie hoch der Anteil der Braunschweiger Wertstoffe ist, die in andere Länder exportiert werden, teilt Alba mit, dass die Kunststofffraktionen bis auf PET, dass in England und Bulgarien zu Kunstfasern verarbeitet wird, sämtlichst im Inland verbleiben.
In Hamburg landeten in den Gelben Wertstofftonnen und Säcken im vergangenen Jahr gut 40.000 Tonnen Müll. Die Entsorgung und Verwertung hat die Stadtreinigung an private Unternehmen vergeben. Dort werden Verunreinigungen aussortiert und die Kunststoffe nach Plastikarten getrennt. Denn nur sortenrein lassen sich die Kunststoffe weiterverwerten und wiederverwenden.
Problematisch hingegen sind Verpackungen, bei denen mehrere Kunststoffe gleichzeitig zur Anwendung kommen. Diese unterschiedlichen Plastiksorten können in der Sortieranlage nicht mehr getrennt und damit recycelt werden. Solche Mischkunststoffe – aus denen etwa Aufschnitt-Verpackungen bestehen, aber auch die meisten Getränkekartons – und die fürs Recycling nicht geeignet sind, werden zumeist als sogenannte Ersatzbrennstoffe verwertet.
Zu kleinen Pellets gepresst beheizen sie etwa die Öfen von Kraft- oder Zementwerken und sparen dort Öl und Gas ein. Diese „thermische Verwertung“ machte bislang etwa die Hälfte der Plastikverwertung aus. Etwa 40 bis 45 Prozent der in Hamburg gesammelten Kunststoffe wurden hingegen „stofflich verwertet“, wieder zu Kunststoffprodukten verarbeitet. Das entspricht in etwa der bundesweiten Verwertungsquote.
Doch dieser Anteil muss laut Verpackungsgesetz, das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist, in Zukunft permanent steigen. Künftig müssen mindestens 58,5 Prozent der eingesammelten Kunststoffe stofflich verwertet werden. Ab 2022 liegt die Quote der Kunststoffe, aus denen neue Kunststoffprodukte entstehen müssen, sogar bei 63 Prozent.
Es gibt spezialisierte Firmen für dieses Recycling – oft internationale Player mit deutschen Depandancen wie der französische Entsorger Veolia, der in Hamburg über eine Kunststoffsortieranlage verfügt. Veolia nimmt den von der Stadtreinigungs-Tochter Wert gesammelten Verpackungsmüll entgegen und formt aus Teilen davon Kunststoffgranulate, aus denen schließlich Waschmittelflaschen aus 100 Prozent recyceltem Kunststoff entstehen.
„Dieses Beispiel zeigt anfassbar“, wie Kreislaufwirtschaft in der Praxis aussehen kann“, lobt sich Veolia-Geschäftsführer Matthias Harms. Doch noch ist diese auch von der Hamburger Umweltbehörde geförderte Initiative eher die Ausnahme als die Regel.
Wie es gehen könnte, verrät ein Blick über die Grenze: In den Niederlanden schlossen im vergangenen Jahr Regierung, Umweltorganisationen und 75 Unternehmen einen Plastikpakt. Weniger Kunststoffverpackungen, die dann aber sortenrein und wiederverwendbar sein sollen und ohne Qualitätsverlust recycelt werden können, und entsprechend höhere Wiederverwertungsquoten sind das bindende Ziel bis 2025. Ein Standard, von dem die Bundesrepublik und auch die norddeutschen Länder noch weit entfernt sind.
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