11 Jahre Gängeviertel: Ruhige Party in den Gängen
Trotz Corona: Das Gängeviertel feiert sein elf-jähriges Jubiläum mit einem Programm, das den Rave in den Kopf verlegt.
„Ein bisschen ruhiger“ als zu anderen Zeiten sei das Geburtstagsprogramm, sagen die Organisatorinnen Olivia Amon und Nadine Schwalb. Ohne Rave also, aber mit mehr inhaltlicher Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen, politischen und sozialen Themen, etwa Klimagerechtigkeit, Rassismus oder dem Recht auf Stadt für alle.
Eingeladen sind Initiativen wie die Seebrücke, Seawatch oder Scientists for Future. Dabei sind es letzten Endes vielleicht weniger die Themen, die neu und anders sind, als die Formen: eine Tanzperformance per Zoom, ein Minifreiluft-Kino und Workshops in den Häusern des Gängeviertels, die nur kleine Gruppen besuchen können – das Grundprinzip ist: first come, first serve. Aber gerade die Begrenztheit könnte zu einem ungewohnt intimen und persönlichen Austausch führen.
Die in Coronazeiten zu neuer Popularität gekommene Eins-zu-eins-Performance wird es auch geben: ein multimedialer Theaterwalk namens „Verschwörung im Gängeviertel“ des Kollektivs f.e.t.t. und Verbündeten. Zutaten sind labyrinthische Souterrain-Räume, Bill Gates und Retortenmenschen, aber auch die Frage, was als gesichertes Wissen gilt.
Das Gängeviertel feiert vom 21. bis 23. 8. von 12 bis 22 Uhr.
Rund 100 Personen können zeitlich auf das Gelände, auf dem Mund-Nasen-Schutzpflicht herrscht.
Das Programm und ein livestreaming finden sich auf https://welcometopandemia.xyz
Zustande kommen konnte das Projekt eigentlich nur, so sagt Lili Süper vom f.e.t.t.-Kollektiv, weil sie als WG zu Coronazeiten daran arbeiten konnten. Sie ist beeindruckt, wie viele Leute sich beteiligt haben. „Es ist so viel Energie da“, sagt sie – von Leuten, die endlich wieder gemeinschaftlich arbeiten wollen. Der Stillstand der vergangenen Monate hat die Planung teils auch erleichtert: Der Rechtsextremismus-Experte und taz-Kolumnist Andreas Speit, der sonst Monate im Voraus ausgebucht sei, könne diesmal kommen.
Die Frage, wie man ein Kollektiv zu Coronazeiten organisiert, hat auch das Gängeviertel als Ganzes umgetrieben. „Alles lief digital“, sagt Christine Ebeling von der Genossenschaft. Die rund 200 Menschen, die den engeren Kreis aus MieterInnen, RaumnutzerInnen und Engagierten bilden, treffen sich per Videokonferenz und stimmen digital ab. So fehlt es an ganz verschiedenen Ecken an Direktheit: direkten Begegnungen mit den „Momenten des Unplanbaren“, wie Ebeling es nennt. Und ganz praktisch: an Einnahmen aus dem normalen Betrieb mit Bar.
Gleichzeitig geht es an Großbaustellen des Gängeviertels voran: Nachdem drei der zwölf Gebäude bereits saniert sind, soll demnächst mit dem vierten begonnen werden. Dann muss die Genossenschaft für die Wohnungen im Speckhaus MieterInnen auswählen. Kriterium soll neben einem Wohnberechtigungsschein – das Projekt gehört zum sozialen Wohnungsbau – auch die Frage sein, was die künftigen BewohnerInnen zum kollektiven und kulturellen Leben im Gängeviertel beitragen können.
Es scheint, dass der „Großbetrieb der Freiwilligkeit“, so nennt es Christine Ebeling, gut aufgestellt in sein zwölftes Jahr geht. Als einer, der rechtzeitig eine Konfliktmanagement-Gruppe initiiert hat und seine Grenzen erkannt hat, etwa bei der Hilfestellung, die er Wohnungslosen geben kann. Und anderseits: eine Initiative, deren alter Kern noch „angedockt“ ist, so sagt es Ebeling und die sich zugleich „immer wieder verjüngt“. Die Frau, die als 14-Jährige hinterm Tresen begonnen hat, ist jetzt bei der Hauptorganisation dabei.
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