Buch „Dear Girlboss, we are done“: Eine Autorin muss essen
Die Journalistin Bianca Jankovska schreibt energisch bis wütend gegen blumige Selbstverwirklichungsversprechen für Frauen an.
Hier muss jemand seinem Ärger Luft machen! Bianca Jankovskas „Dear Girlboss, we are done“ rechnet mit den Versprechungen des internetbasierten Kapitalismus ab. Und wütet über den Feel-good-Feminismus, wie ihn die sozialen Netzwerke hervorbringen.
„60-Kilo-Frauen, die ihre Mini-Speckröllchen quetschen und dabei in ausufernden Captions von bedingungsloser Selbstliebe faseln.“ Aber das allein ist es nicht; es ist das unreflektierte Hingeben an neoliberale Social-Media-Selbstvermarktungsstrategien, das sie auf die Palme bringt. Finde deine Nische, erzähle deine Story, so lautet das einfache Erfolgsversprechen.
Jankovska aber vermisst das Sprechen über echte Bedingungen des Erfolgs von „Shepreneurs“: Kapital. Ohne Moos hilft auch das beste Mindset kein Stückchen weiter. Genau das aber vermitteln die unzähligen Podcasts und überteuerten Webinars, die versprechen, symbolisches Kapital in Form von Followern könnte das gute alte ökonomische Kapital ersetzen.
Die Geldfrage führt auch weiter zur Profession Jankovskas, dem Journalismus. Sie schimpft über lächerlich kleine Honorare und den mangelnden Zusammenhalt unter Frauen in Medienhäusern. Die so gerne behauptete Solidarität unter Frauen endet da, wo es um handfeste Zahlen geht.
Nicht zuletzt sind es gerade die vermeintlich freundschaftlichen Beziehungen zwischen Autorinnen und Redakteurinnen, die Ausbeutung begünstigen. „Dear Girlboss, we are done“ enthält süffisant-ironische Illustrationen von Julia Feller, die gemeinsam mit Jankovska das Konzept für den Text ausarbeitete.
Das Buch, das als Book-on-Demand erscheint, ist auch als Absage an das Verlagswesen zu verstehen. Auch hier geht es um wirtschaftliche Überlegungen – kleine Vorschüsse, geringe Umsatzbeteiligungen. Es ist ein Plädoyer, über all dem Selbstverwirklichungs- und Empowerment-Gefasel im Netz die Produktionsbedingungen nicht aus den Augen zu verlieren. Eine Autorin muss essen. Und manchmal muss sie auch wütend sein dürfen.
Leser*innenkommentare
otto
Endlich sagt es mal Eine...
Heide Gehr
Auch wenn ich das komplett ausgelutschte Wörtchen „neoliberal“, das immer alles und nix erklärt und zugleich wissendes Kopfnicken auslöst, weil ENDLICH (aka dauernd) eine*r was rrrrichtig Richtiges sagt, nimmer hören kann, der Autorin kann ich voll zustimmen. Ausbeutung oder auch nur Scheißhonorare werden nicht besser wenn sich alle Duzen und so...