Urteil zu Recht auf Vergessen: Eine gelungene Balance

Der BGH hat mit Augenmaß über das Recht auf Vergessen geurteilt. Das Informationsrecht gilt, Politiker können aber nicht einfach ihre Skandale tilgen.

Der google-Schriftzug und die google-Suche auf einem iPad Mini 2

Google winkt also nicht einfach Korrekturwünsche durch, sondern differenziert Foto: Lukas Schulze/dpa

Das „Recht auf Vergessenwerden“ hat sich bewährt. Es ist zwar erst seit 2018 gesetzlich geregelt. Doch praktische Erfahrungen gab es schon in den Jahren zuvor. Danach geht Google durchaus differenziert mit dem Wunsch von Bürgern um, unliebsame Links aus der Trefferliste zu ihrem Namen zu eliminieren.

In Deutschland gab Google bisher nur der Hälfte von über 150.000 Anträgen statt. Medien-Links blieben ganz überwiegend in den Trefferlisten. Google winkt also nicht einfach alle Korrekturwünsche durch. Das befürchtete Overblocking blieb aus. Die nun vom Bundesgerichtshof (BGH) angemahnte Einzelfallprüfung findet also lange schon statt.

Die Rechtslage ist doppelt großzügig. Auf der einen Seite kann jeder von Google verlangen, unangenehme Links aus der Trefferliste wieder zu entfernen. Es geht dabei keineswegs nur um überholte und falsche Informationen. Auch bei Peinlichkeiten und allzu Privatem kann eine Auslistung gefordert werden. Dieser Ansatz ist richtig, denn Google schafft mit seiner Trefferliste eine Art Persönlichkeitsprofil. Da ist es nur fair, wenn der Betroffene über sein Bild in der Öffentlichkeit und im Netz mitbestimmen kann.

Großzügigkeit ist aber auch auf der anderen Seite erforderlich. Sobald es um öffentliche Interessen geht, muss die Pressefreiheit und das Informationsrecht der Bürger Vorrang haben. Politiker und Manager können also nicht einfach ihre Skandale tilgen und sich so eine vermeintlich weiße Weste verschaffen. So hat es sich der Europäische Gerichtshof schon 2014 gedacht, so ist es nun auch in der Datenschutz-Grundverordnung geregelt.

Die spannenden Fragen liegen im Detail. Wie viele Jahre und Jahrzehnte kann öffentliches Interesse an einem Vorgang in der Vergangenheit unterstellt werden? Wie groß muss die „Öffentlichkeit“ sein, für die die Information relevant bleibt? Genügt ein Fachpublikum? Oder sogar die nähere Nachbarschaft? Die Antwort wird wohl auch davon abhängen, wie verantwortungsvoll die Informationen genutzt werden.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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