Rechtes Netzwerk in hessischer Polizei?: Neue Drohungen gegen Wissler
Die Hessische Linksfraktionschefin hat erneut Drohschreiben vom „NSU 2.0“ erhalten. Die unbekannten Täter hatten wohl Zugriff auf Polizeicomputer.
WIESBADEN epd/ afp | Die Fraktionschefin der Linkspartei im Hessischen Landtag, Janine Wissler, hat erneut zwei anonyme E-Mails mit Morddrohungen aus offenbar rechtsextremistischen Kreisen bekommen. Das bestätigte am Donnerstag ein Fraktionssprecher im Wiesbaden.
Die in den letzten Tagen eingegangenen Drohschreiben waren wieder mit „NSU 2.0“ unterzeichnet. Sie hätten erneut persönliche Informationen über die 39-jährige Politikerin enthalten, die öffentlich nicht zugänglich seien. Seine Partei habe Hinweise darauf erhalten, dass diese Infos aus einem Polizeicomputer in Wiesbaden abgerufen worden seien, sagte Fraktionssprecher Thomas Klein auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).
Das hessische Innenministerium und die Staatsanwaltschaft wollten sich aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst nicht äußern. Ein Sprecher von Innenminister Peter Beuth (CDU) betonte, in dem Fall werde mit Hochdruck ermittelt.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Morddrohungen gegen Wissler verurteilt. Soche Vorgänge seien „inakzeptabel“ und müssten „nachhaltig aufgeklärt werden“, sagte er am Donnerstag in Berlin. Das gelte „unabhängig von der Zielperson“, fügte Seehofer hinzu. „Jede politische Richtung“ genieße staatlichen Schutz.
Bisherige Ermittlungen erfolglos
Vor zwei Jahren hatte bereits die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız ebenfalls mit „NSU 2.0“ gezeichnete Mails mit Drohungen gegen ihr Leben und das ihrer kleinen Tochter erhalten. Damals waren persönliche Informationen über sie und Mitglieder ihrer Familie aus dem Polizeicomputer eines Frankfurter Reviers abgerufen worden. Die Ermittlungen gegen die Urheber der Mails haben bislang noch keine greifbaren Ergebnisse gehabt.
Der innenpolitische Sprecher der hessischen Linksfraktion, Hermann Schaus, wies darauf hin, dass der Zugriff diesmal offenbar nicht aus einem Frankfurter, sondern einem Wiesbadener Polizeirevier erfolgte. „Offenbar ist das rechte Netzwerk in der hessischen Polizei größer als bisher von offizieller Seite eingeräumt“, sagte er. Dass ihre Fraktionschefin erneut Morddrohungen erhalten habe, bestärke die Linkspartei darin, den Kampf gegen rechte Umtriebe zu verstärken.
Am vergangenen Freitag war bekannt geworden, dass Wissler, die auch stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei ist, bereits im Februar zwei Drohmails mit Absender „NSU 2.0“ bekommen hatte. Nach Bekanntwerden hatten sich die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, Grünen und FDP im Landtag in einer gemeinsamen Erklärung mit Wissler solidarisiert.
Leser*innenkommentare
Yodel Diplom
Die politische Forderung nach "nachhaltiger Aufklärung" von rechten Taten hat den Stellenwert in Deutschland den "thoughts and prayers" in den USA hat. Ein nichtssagendes Ritual der Desinteressierten.
Thomas Brunst
Mit Unverständnis reagiert eine breite Öffentlichkeit auf die Tatsache, dass bisher keine Polizei-Angehörigen ermittelt werden konnten, welche für die unrechtmäßigen Datenabfragen aus dem polizeilichen Informationssystem verantwortlich sind; das trifft auf das 1. Frankfurter/ Main Polizeirevier (Frau Basay-Yildiz) eben so zu wie im aktuellen Fall der Linken-Politikerin Janine Wissler. Auch in der Drohbriefserie an Frau Wissler ist weiterhin unklar, welche Person ihre Adressdaten von einem Polizeicomputer in Wiesbaden abgefragt hat. Ich gehe davon aus, dass es in einer Polizeidienststelle nicht so zugeht wie in einem öffentlichen, anonymen Internetcafe.
Rainer B.
Die Polizei macht keine Fehler. Nie.