Die Wahrheit: Distänzer dieses Sommers
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über das Miteinander in schwierigen Zeiten erfreuen.
Was wir am Sommer Jahr für Jahr so schätzen:
Die Nächte hell wie darin das Gelächter
in Gärten, Parks und auf den großen Plätzen,
beschwingte Ausgelassenheit Bezechter.
Kein grobes Rülpsen und Gerumpse liegt
im schwirrenden, verzwitscherten Bombast,
wenn Abendluft an nackte Haut sich schmiegt
und wehend unter leichte Hemden fasst.
Der Himmel schimmert Zwanzigzwanzig auch,
die Vögel ziehen ihre schönsten Bögen,
und in die Nasen dringt ein warmer Hauch,
der lockt, auf dass wir um die Häuser zögen.
Wir möchten niemandem zu nahe treten,
wenn wir mit Masken hilflos in der Tasche
dann stehen vor den Stammlokalitäten
mit etwas Nass im Glas oder der Flasche.
Doch könnt man lauthals lachen noch? Bedrohte
dies Lachen nicht das allgemeine Wohl?
Und wär ein beinah unsichtbarer Bote
vom Lieferdienst express per Aerosol?
Und wär ein Kuss von zwei nicht ganz Bekannten,
gewechselt aus spontaner Sympathie,
das, was wir früher Ferienschwarm mal nannten,
heut schon Verbreiten einer Pandemie?
Nun, flirten ließe sich auch auf Distanz.
Abständig wär’n wir sommerlang Distänzer.
Wir gingen dann in Quarantäne ganz
und würden virologische Begrenzer.
Solang die Virenwarn-App grün uns blinkt,
derweil die Superspreader sich vernetzen,
genießen wir ganz still und unbedingt,
was wir am Sommer dieses Jahr so schätzen.
Die Wahrheit auf taz.de
Leser*innenkommentare
05158 (Profil gelöscht)
Gast
13 Gedichtzeilen,ein dahingleiten in wunderbarer Leichtigkeit, Samtheit (Gerumpse,Rülpsen) sexuelle Energie...Abendluft an nackte Haut sich schmiegt und wehend unter leichte Hemden fasst.....
Vögelein im Städtehain. Ach ja.
14. Gedichtzeile weigere ich mich weiterzulesen!
Sommerfrische
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.
Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser.
Weil’s wohltut, weil’s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.
Und lass deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.
Joachim Ringelnatz
taz.de/Die-Wahrhei...bb_message_3968734
;-)
Lowandorder
Chapeau. Danke.
unterm——- bleibt nur noch er - 😎 -
Wie säh er aus, wenn er sich wünschen ließe?
Schaltmonat wär? Vielleicht Elfember hieße?
Wem zwölf genügen, dem ist nicht zu helfen.
Wie säh er aus, der dreizehnte von zwölfen?
Der Frühling müßte blühn in holden Dolden.
Jasmin und Rosen hätten Sommerfest.
Und Äpfel hingen, mürb und rot und golden
im Herbstgeäst.
Die Tannen träten unter weißbeschneiten
Kroatenmützen aus dem Birkenhain
und kauften auf dem Markt der Jahreszeiten
Maiglöckchen ein.
Adam und Eva lägen in der Wiese
und liebten sich in ihrem Veilchenbett,
als ob sie niemand aus dem Paradiese
vertrieben hätt.
Das Korn wär gelb und blau wären die Trauben.
Wir träumten, und die Erde wär der Traum.
Dreizehnter Monat, lass uns an dich glauben!
Die Zeit hat Raum.
Verzeih, dass wir so kühn sind, dich zu schildern.
Der Schleier weht, dein Antlitz bleibt verhüllt.
Man macht, wir wissen's, aus zwölf alten Bildern
kein neues Bild.
Drum schaff dich selbst! Aus unerhörten Tönen,
aus Farben, die kein Regenbogen zeigt.
Plündre den Schatz des ungeschehen Schönen.
Du schweigst? Er schweigt.
Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise.
Und werden kann nur, was schon immer war.
Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.
Und dem Dezember folgt der Januar.
www.deutschelyrik....izehnte-monat.html
&
de.wikipedia.org/wiki/Die_13_Monate