Netflix Serie „Der Babysitter-Club“: Vier Freundinnen und ein Telefon
Erneut wird die erfolgreiche Buchreihe adaptiert. Die engagierte Modernisierung des Stoffes ist dabei durchaus gelungen.
Vier, das scheint die magische Zahl zu sein, wenn es um Frauen-Cliquen in Serien geht. Angefangen bei – in Sachen Lebensalter der Heldinnen in umgekehrter, aber im Hinblick auf die Produktionszeit in chronologischer Reihenfolge – den „Golden Girls“ über „Sex and the City“ bis zu Lena Dunhams „Girls“. Letztere waren gerade mal Mitte 20, doch das lässt sich auch noch um mehr als zehn Jahre unterbieten, wie man jetzt aus einer überhaupt sehr lehrreichen neuen Netflix-Serie lernen kann.
Kristy, Mary-Anne, Claudia und Stacey sind noch keine 13, was wichtig ist, weil das das legale Mindestalter für die Anmeldung bei Instagram ist. Kristy hatte nämlich gerade …: „Und da war er. Der Augenblick. Der Augenblick, in dem ich mich an meiner Pizza verschluckte. Doch während ich fast an meiner Pizza erstickt wäre, mein Leben am seidenen Faden hing und meine Mutter versuchte, sich an den Erste-Hilfe-Kurs vor 17 Jahren zu erinnern – da hatte ich sie plötzlich: die beste Idee meines ganzen Lebens!“
Die beste Idee ihres noch jungen ganzen Lebens: Babysitting. Nun ja, Kinder kriegen die Leute immer, das wusste eigentlich schon der olle Adenauer. Und tatsächlich ist „Der Babysitter-Club“ der Reboot einer gleichnamigen, genau dreißig Jahre alten (HBO-)Serie. Und/oder die bereits zweite Serien-Adaption einer 1986 begonnenen, in den USA wahnsinnig populären (Auflage über 180 Millionen) gleichnamigen Kinderbuch-Reihe von Ann M. Martin. Einerseits. Andererseits legen die Macherinnen – Showrunnerin Rachel Shukert („GLOW“) und Regisseurin Lucia Aniello („Broad City“) – der Netflix-Variante den größten Wert darauf, mit dem alten Stoff an der digitalen Gegenwart anzudocken.
So kommt Kristy zu der besten Idee ihres ganzen Lebens eben genau deshalb, weil sie miterleben muss, wie ihre Mutter (Alicia Silverstone) daran verzweifelt, einen Babysitter für ihren kleinen Bruder zu finden. Vorbei die Zeiten, als man einfach nur bei einer Nachbarstochter anrufen musste. Auf dem Festnetztelefon. Genau so ein quasi steinzeitliches Artefakt besorgen sich die vier sehr verschiedenen Freundinnen (über Etsy) – Instagram dürfen sie ja noch nicht – und warten also auf den ersten Anruf.
„Der Babysitter-Club“, 10 Folgen, Netflix
Dass sie mitunter viel reifer denken, sprechen und handeln als es ihrem Alter entspräche, liegt wohl an der Vorbildfunktion, die sie für ihr minderjähriges Zielpublikum erfüllen sollen. Da werden Themen wie Cyber-Mobbing und Geschlechtsidentität verhandelt, und Kristy reflektiert einmal sehr ernsthaft über den Begriff „Anstand“ („decorum“).
Nicht vorschnell beurteilen
Die zehn Folgen werden, sehr einfühlsam, im Wechsel aus der Sicht je eines der Mädchen erzählt. Zwei Folgen lang fragen sich ihre Freundinnen, warum Stacey, die gerade erst aus der Upper West Side Manhattans in das Provinzstädtchen Stoneybrook zugezogen ist, die schon sehr auf ihre Ernährung achtet und von der Mary-Anne sagt, sie sei „so elegant, dass sie eigentlich Französin sein müsste“, noch nie eine von ihnen zu sich nach Hause eingeladen hat und außerdem lügt. Und hatte man sie als Zuschauer nicht auch schon als die versnobte Schnepfe unter den Vieren abgestempelt?
Nun, Stacey hat einen Grund für ihre Distanziertheit. Um den von ihr selbst zu erfahren, muss man aber schon mindestens bis zur dritten Folge dabeibleiben. Lektion gelernt: Man soll andere Menschen nicht vorschnell beurteilen. Und Serien nämlich auch nicht. Und ausgerechnet in der vierten Folge kommt zu der Vierer-Clique plötzlich noch ein fünftes Mädchen dazu: Dawn aus L.A.
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