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Tod in Polizeigewahrsam in den USAGouverneur lässt Fall neu aufrollen

Der 33-jährige Schwarze Manuel Ellis soll im März in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen sein. Weil nun ein Video aufgetaucht ist, wird sein Tod erneut untersucht.

Hier starb Manuel Ellis: Black-Lives-Matter-Proteste in Tacoma am 5. Juni Foto: Lindsey Wasson/reuters

Washington afp/dpa | In den USA ist ein weiterer Fall eines Schwarzen Mannes in den Fokus geraten, der in Polizeigewahrsam starb. Der Gouverneur des Staates Washington, Jay Inslee, kündigte am Mittwoch eine neue Untersuchung zum Fall des 33-jährigen Manuel Ellis an, der im März zu Tode gekommen war. Zuvor war ein bislang unbekanntes Video von Ellis' Festnahme aufgetaucht. Auch er soll vergeblich geklagt haben: „Ich kann nicht atmen.“

Auch der vor zweieinhalb Wochen durch Polizeigewalt getötete George Floyd hatte geklagt, dass er keine Luft mehr bekomme, während ein weißer Polizist auf seinem Nacken kniete. Seine Worte gingen um die Welt und wurden zum Slogan der Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt in zahlreichen Ländern.

Das neu aufgetauchte Video von Ellis' Festnahme in der Stadt Tacoma dokumentiert nach Angaben eines Anwalts der Hinterbliebenen, dass dieser mehrfach sagte: „Ich kann nicht atmen, Sir.“ Zuvor war bereits das Video eines Passanten publik geworden, der Ellis' Festnahme teilweise gefilmt hatte.

Aufgrund der Aufnahmen entschied Gouverneur Inslee, dass die Untersuchung zu dem Vorfall nicht in den Händen von Polizei und Staatsanwaltschaft des Verwaltungsbezirks Pierce verbleibt, in dem Tacoma liegt. Bei diesen Behörden bestehe ein „Interessenkonflikt“. Es werde deshalb eine komplett neue Untersuchung unter Leitung anderer Behörden geben.

Beamte vom Dienst suspendiert

Die bisherigen gerichtsmedizinischen Untersuchungen zu Ellis' Tod ergaben, dass er an Atemstillstand aufgrund physischer Gewalteinwirkung starb. Die Einnahme von Methamphetamin und eine Herzkrankheit könnten demnach außerdem zu seinem Tod beigetragen haben.

Die vier an Ellis' Festnahme beteiligten Polizisten sind derzeit vom Dienst suspendiert. Sie sagten, sie hätten den Mann festgenommen, nachdem er fremde Wagen zu öffnen versucht habe. Ellis habe Widerstand geleistet, weshalb sie ihn durch Gewaltanwendung festgehalten hätten. Der Mann starb noch vor Ort.

Seit Floyds Tod wird in den USA eine verschärfte Debatte um Reformen bei der Polizei geführt. In einigen Städten wurden solche Reformen inzwischen bereits eingeleitet. Floyds Bruder rief am Mittwoch bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus zu tiefgreifenden Veränderungen bei der Polizei auf. Dies seien die Abgeordneten seinem Bruder schuldig. Danach nahm Philonise Floyd an einer Demonstration nahe dem Weißen Haus teil.

Statuen von Christopher Kolumbus vielerorts beschädigt

Zunehmend erhitzt wird in den USA auch um den Umgang mit dem Erbe der Südstaaten-Konföderation gestritten, die im Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 vergeblich für den Fortbestand der Sklaverei gekämpft hatte. Präsident Donald Trump erteilte Forderungen nach Umbenennung von zehn nach Südstaaten-Generälen benannten Militärbasen jedoch eine kategorische Absage. Die Stützpunkte seien Teil des „großartigen amerikanischen Erbes“, schrieb Trump auf Twitter.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, forderte die Entfernung von Denkmälern von Führungsfiguren der Südstaaten aus dem Sitz des Kongresses. Mit diesen elf Statuen werde „dem Hass gehuldigt“, erklärte die Anführerin der oppositionellen Demokraten. Im Washingtoner Kapitol stehen etwa Statuen von Jefferson Davis, dem Präsidenten der abtrünnigen Konförderierten Staaten von Amerika, sowie des Generals Robert E. Lee, der die Südstaaten-Truppen im Bürgerkrieg kommandiert hatte.

Der US-Motorsportverband Nascar verbot unterdessen die Flagge der Südstaaten-Konföderation auf allen ihren Veranstaltungen. Die Fahne ist bei vielen Weißen im Süden der USA immer noch beliebt.

Objekte des Zorns von Anti-Rassismus-Demonstranten sind auch Denkmäler von Christopher Kolumbus. In Boston wurde eine Statue des Seefahrers enthauptet, in Miami ein solches Denkmal beschädigt. In Richmond im Bundesstaat Virginia wurde eine Kolumbus-Statue in einen See geworfen. Kritiker argumentieren, der Seefahrer habe mit seiner Ankunft auf dem amerikanischen Kontinent der Kolonialisierung und Tötung zahlloser Ureinwohner den Weg bereitet.

Einheit legt kollektiv ihre Arbeit nieder

Nach dem Bekanntwerden eines Videos aus der US-Stadt Buffalo, auf dem ein 75-Jähriger von der Polizei während einer Antirassismus-Demo so hart zurückgestoßen wird, dass er zu Boden geht und sich den Kopf aufstößt, will die Stadt die fragliche Polizeieinheit auflösen. Aus dem Notfalleinsatzteam solle eine neue Öffentliche Schutzeinheit werden, sagte Bürgermeister Byron Brown am Mittwoch (Ortszeit) in einer Pressekonferenz. Der Fokus solle auf einer stärkeren Einbindung der Gemeinde und bürgerlichem Engagement liegen.

Die Stadt will außerdem Festnahmen für niedrigschwellige Vergehen wie den Besitz von Marihuana aussetzen und es der Öffentlichkeit erleichtern, Videos aus Bodycams der Polizei einzusehen. Brown sprach über die Maßnahmen von „einem kritischen ersten Schritt“.

Die Veränderungen folgten auf Verhandlungen mit Vertretern der Gemeinde und Aktivisten, wie Brown sagte. Die Polizei war durch das Video extrem in die Kritik geraten. Darin ist zu sehen, wie Beamte in voller Montur einen weißhaarigen Mann in der Nähe einer Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt zu Boden schubsen und weitergehen, während er blutend am Boden liegt.

Der 75-Jährige lag am Mittwoch noch im Krankenhaus. Die wegen Körperverletzung angeklagten Polizisten sind Teil einer Einheit mit beinahe 60 Mitgliedern, die im Anschluss aus Solidarität mit ihren Kollegen kollektiv die Arbeit niederlegten.

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1 Kommentar

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  • Nicht nur Südstaaten-Generäle…



    General Custer, das war der Heydrich für Cowboys. Aphorismus 200225



    Zitat



    “1868 rehabilitierte sich Custer in den Augen der Öffentlichkeit, als er während des Winterfeldzuges an den Ufern des Washita ein Dorf der Südlichen Cheyenne unter Black Kettle im Morgengrauen angriff und zerstörte. Dies sollte der einzige „Sieg“ Custers im Kampf gegen die Indianer bleiben. Ob der Angriff ein Massaker war oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Tatsache ist, dass Custer vor der Attacke befahl, Frauen und Kinder zu verschonen. Andererseits wurde bei dem Angriff eine große Zahl von indianischen Nichtkombattanten getötet. Es gibt Darstellungen der Schlacht, welche zu belegen scheinen, dass die US-Kavallerie von den Cheyenne freundschaftlich begrüßt wurde und die US-Kavallerie plötzlich und unerwartet das Feuer eröffnete.[9] Den meisten Indianern gelang die Flucht in die Wälder, jedoch mussten sie alles Hab und Gut und hier insbesondere die Pferde zurücklassen. Custer ließ die Pferde einfangen und über 1.000 erschießen. Dies machte den Indianern die Büffeljagd unmöglich und der Verlust ihrer Habe und ihrer Vorräte für den Winter erschwerte ein Überleben im Winter deutlich. Die meisten Opfer gab es somit erst nach der Schlacht. “