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Berliner Stimmen aus der Quarantäne (4)DJs im leeren Raum

Tobi Kirsch, DJ und Promoter, berichtet über musikalische Neuentdeckungen, seine neue Web-Radioshow und Auflegen in Zeiten von COVID-19.

Den Klunkerkranich in Neukölln vermisst Tobi Kirsch nicht nur als DJ, sondern auch als Gast Foto: Julian Nelken
Ole Schulz
Interview von Ole Schulz

taz: Herr Kirsch, was würden Sie in einer Welt ohne Covid 19 gerade machen?

Tobi Kirsch: Unter anderem hätte ich auf dem Klunkerkranich aufgelegt, ich würde tolle Konzerte wie das von der Jazzsängerin (und mosambikanischen Wahlberlinerin) Natalie Greffel dort besuchen, meine Freunde endlich mal wieder persönlich sehen und Geburtstage in Gruppen feiern.

Was haben Sie zuletzt gestreamt, das Sie besonders gut oder schlecht fanden? Und warum?

Ich hab´ mir die Tropical Timewarp DJ Crew beim Auflegen angeschaut, die Musik war wie immer toll, aber das Bild, wie DJs in einem leeren Raum auflegen, ist eher nicht so schön.

Was halten Sie vom (oft kostenlosen) Streaming von Theateraufführungen, Konzerten, DJ-Sets oder Lesungen?

Ich bin da ambivalent. Zum einen ist es wichtig, das Kultur präsent bleibt, andererseits ist da mitunter auch der Effekt, dass Menschen durch die Streams eventuell nicht mehr so viel Wertschätzung für Kultur aufbringen, weil sie ja alles bequem und oft für umsonst von ihrem Rechner aus konsumieren können. Das Liveerlebnis werden Streams nie ersetzen können.

Welchen Ort in Berlin vermissen Sie gerade am meisten?

Unabhängige Clubs mit guter Livemusik aus aller Weltwie das Gretchen, den Klunkerkranich oder das Yaam.

Womit vertreiben Sie sich aktuell am liebsten die Zeit? Welche Routinen haben Sie seit dem Lockdown entwickelt?

Bücher lesen, Filme schauen und Backen. Ich habe für unsere neue Web-Radioshow „Different Drum Berlin“ regelmäßig nach neuer Musik gesucht und sie an Freunde und Bekannte weiter verbreitet. Da habe ich aktuell das Album „Electric Gnawa Laune“ von Rabii Harnoune & V.B.Kühl auf dem Label Tru Thoughts entdeckt.

Ist die Pandemie nur Krise oder auch Chance?

Beides. Für viele Kreative ist es eine harte Zeit ohne Performances und Einkommen. Meine Arbeit ging, mit Ausnahme der Arbeit fürs Xjazz Festival weiter. Für mich persönlich hab ich die Chance genutzt, mehr Privatleben zu haben und viel zu telefonieren. Es ist schon gut, dass man zwischendurch Zeit hatte, über die Prioritäten des eigenen Lebens nachzudenken, das empfinde ich als Privileg. Zusätzlich konnte ich die gewonnene Freizeit nutzen, Musik für die zweite Ausgabe der Compilation „Two Tribes – an intercontinental journey in rhythm“ zusammen zu stellen. Dort haben Ubbo Gronewold und ich das Spektrum erweitert, um europäische Künstler wie das griechische Afrodyssey Orchestra, die Jazz mit diversen Musikstilen vom afrikanischen Kontinent kombinieren.

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