: „Ich fänd’mehr Schultage cool“
Die 13-jährige Adele sehnt sich nach einem normalen Schulalltag zurück. Zu Hause zu lernen, sei möglich, Hilfe komme eher von den Mitschülerinnen
Adele ist die Nicht der Protokollantin und geht in Hamburg zur Schule.
Protokoll Kaija Kutter
Als ich im Radio hörte, dass die Schule ausfällt, war ich kurz froh, weil ich gleich Montag eine Arbeit schrieb. Am Anfang war es wie Ferien, nur dass mein Bruder und ich einen Computer bekamen. Nach vier Wochen hatte man aber keine Lust mehr. Ich sah nur noch Familie. Und die coolen Sachen, die man so machen kann, Trampolin im Garten, Radtour zu Verwandten, hatte ich schon gemacht.
Die Lehrer gaben uns anfangs leichte Sachen auf, um uns zu beschäftigen. Ich sollte Comics malen. Dann gab es mal viele Fächer mit wenig Aufgaben, dann wenig Fächer mit vielen Aufgaben. Und dann gaben Lehrer uns Sachen auf, die sie in der Schule nicht geschafft hatten.
Zum Beispiel in Mathe hatten wir Parabeln durchgenommen. Auf einmal musste man die Sachen anwenden. Es war schwer, sich das selbst zu erarbeiten. Deshalb machte ich mit Freundinnen eigene Zoom-Meetings, um die Aufgaben zu besprechen. Das ging. Aber in vielen Fächern kann man sich das nicht selbst erklären. Da wäre es praktisch gewesen, einfach einen Lehrer nach einem Denkanstoß zu fragen. Aber als Erstes frage ich Familie oder Freunde. Da bekommt man schnell Antwort. Es belastet die Lehrer auch, wenn man viele Fragen stellt.
Meistens hatten wir einmal die Woche in wichtigen Fächern ein Zoom-Meeting. Aber zu vielen Lehrern hatte ich kaum Kontakt. Die haben nur Aufgaben gestellt und mal ’ne Mail geschrieben. Man hätte vor diesen Meetings dem Lehrer Fragen stellen können. Aber es ist einfacher, jemanden aus der Klasse über Whatsapp zu fragen und dann das mit denen zu erarbeiten, weil die eine ähnliche Sicht auf die Aufgaben haben. Die Lehrer verstehen das ja alles und können sich nicht so gut in einen hineinversetzen, wo genau man Unterstützung braucht.
Alleine mit einem Lehrer gechattet habe ich nicht. Die meisten Lehrer meinten, dass sie das, was wir machen, nicht benoten. Aber nun fangen manche wieder damit an, weil sie einfach Noten brauchen.
Seit Ende Mai gehe ich wieder zur Schule, einen Tag die Woche. Es war schön, ein paar Leute wiederzusehen. Aber man hatte ein komisches Gefühl, weil es nur die halbe Klasse ist und so leer. Man musste Abstand halten, durfte nur an seinem Platz sitzen. Nicht mal jemanden den Stift leihen.
Aber ist toll, wieder sein vertrautes Umfeld zu haben, wo man sich besser konzentrieren kann. Gut war auch, dass man jetzt mehr Platz hat für seinen Krempel, weil da kein Nachbar sitzt. Das ist aber auch ein Nachteil, weil man nicht heimlich quatschen kann. Man kann sich nicht verstecken und ist so sichtbar wie ein schwarzer Fleck auf einem weißen Blatt Papier. Und man kommt häufiger dran, weil weniger da sind.
Viele Leute verstehen nicht, dass es wegen Corona wichtig ist, zu Hause zu bleiben. Deswegen sehe ich ein, dass die Regierung sehr viel einschränkt. Aber man muss die Prioritäten so setzen, dass Schule wichtiger wird.
Es sollte mehr Schultage geben. Der eine Tag, da habe ich Mathe und Geschichte, und sonst Musik und Kunst, die sind nicht so wichtig. Mir fehlt Deutsch. Also zwei Tage die Woche wäre gut, oder jeden Tag Schule wäre auch nicht schlimm.
Aber die Lehrer schätzen, dass man weiter nur ein, zwei Tage die Woche kommt. Und weil wir 8. Klasse sind und relativ unwichtig, wird das auch nicht so schnell wieder mehr. Es wird abgewartet, ob eine zweite Welle kommt. Auf dem Gymnasium sind die 6. Klassen wichtig, weil sich da entscheidet, ob man bleiben darf. Und die 10. Klassen und die Oberstufe sind relevant.
Also, ich fände es cool, wenn die Schultage wieder mehr werden. Aber da wir über 1.000 Schüler sind, ist es schwer, genug Räume für uns alle zu finden. Die Lehrer könnten aber kleine Lerngruppen organisieren, in denen wir uns austauschen.
Es ist nicht so, dass ich gar nicht mehr hinterherkomme und dieses Jahr verloren ist. Man lernt weniger, aber es geht. Der Hausunterricht ist gut angelegt. Ich arbeite im Schnitt ein bis anderthalb Stunden am Tag. Sonst bin ich jeden Tag acht Stunden in der Schule. Aber, na ja. Was Neues mache ich zu Hause nicht, außer chillen und mal rausgehen.
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